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In Ungarn ist das happy end verpönt

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Das politische Schicksal und die geographische Lage von Triest scheinen diese Stadt als Ort der Begegnung des zentral- und osteuropäischen Films vorbestimmt zu haben. Nur so läßt sich der wachsende Erfolg der Alpe Adria Cinema erklären, einer Veranstaltung, die seit den bescheidenen Anfängen im Jahr 1989 immer mehr - vor allem auch junges - Publikum anzieht.

Auch heuer hatte die künstlerische Leiterin des Festivals, Annamaria Per-cavassi, unter dem Motto „Exil, Verwurzelung und Zugehörigkeitsgefühl" eine bemerkenswerte Auswahl kurzer und abendfüllender Filme zusammengestellt. Bund ein Dutzend Spielfilme jüngeren Datums wurde gezeigt, wobei zwei schon mehrfach preisgekrönte Werke besonders herausragten: „Zahrada" (Der Garten) von Mantin Sulik (Slowakei) sowie „Urnebesna tragedija" (Burleske Tragödie) von Goran Markovic. Obwohl beide Filme thematisch sehr unterschiedlich sind, finden sich auch im „Garten" burleske Situationen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit seinem Vater lernt Jakub (Roman Luknar), ein ausgebrannter Lehrer, die Reize des einfachen Landlebens schätzen und beschließt, der Stadt endgültig ade zu sagen. Diese Entscheidung wird noch bestärkt durch die Anwesenheit Helenas, eines halbwüchsigen Mädchens, das über Zauberkräfte verfügt.

Die „Burleske Tragödie" ist schon als Produktion etwas ungewöhnlich: Ein unter bulgarisch-französischer

Flagge segelnder serbischer Film. Wegen des Mangels an Medikamenten sieht sich der Leiter eines psychiatrischen Instituts in Belgrad gezwungen, seine Patienten zu ihren Familien zurückführen. Dies geschieht in Form einer turbulenten Wanderung durch die Stadt - hervorragend der Besuch der „Narren" in einem Großkaufhaus, wo sie beispielsweise versuchen, mit längst verfallenen Geldscheinen zu zahlen.

Eine Enttäuschung bereitete „Ma je pomsta" (Die Rache ist mein), der neueste Film des Kroaten Lordan Zafranovic, der derzeit im selbstgewählten Exil in der Tschechischen Republik weilt. Der gekonnt gemachte Thriller bleibt unter dem Niveau eines Regisseurs, von dem so gehaltvolle Filme wie „Okkupation in 26 Bildern" und das brisante „Testament des L. Z." (das in Kroatien noch immer verboten ist) stammen.

Eine Jury aus zehn angehenden Maturanten vergab den Preis „Triest für den Frieden" an „In-dianske Leto" (Altweibersommer) des jungen kroatischen Begisseurs Sascha Gedeon, in dem es um die ersten zaghaften Liebesannäherungen von Teenagern geht. Man spürt deutlich, daß es sich um ein Erstlingswerk handelt, aber es ist ein Vergnügen, die jungen Darsteller in ihren Rollen überzeugend spielen zu sehen.

Eine lobende Erwähnung erging an den dramatischen Film „Videmo se" (Auf Wiedersehen) von Ivan Salaj, ebenfalls aus Kroatien. Fünf junge Leute, die als Kinder unzertrennlich waren, treffen einander wieder, nachdem einer von ihnen bei der kroatischen Offensive in Bosnier gefallen ist. Schon als Kinder hatten sie geschworen, daß sie auch im Tod zusammenbleiben würden, und sc graben sie ihren verstorbenen Kameraden wieder aus, um ihn in einem Wald in der Nähe ihres Spielplatzes zu beerdigen. Die irreale Vermischung von jugendlicher Schwärmerei und romantischer Treue bis in den Tod wirkt übertrieben und endet mit unnötiger Dramatik.

Der beim jüngsten „Filmmara thon" von Portoroz als bester slowe nischer Film gekürte „Badio Doc", ein Spielfilm von Miran Zupanic, war auch in Triest zu sehen. In der Ge schichte einer jungen Journalistin, die den geheimnisvollen Tod ihres Vaters zu klären versucht, geht es um das Problem der ehemaligen Kommuni sten, die nach der Loslösung Sloweni ens von Jugoslawien (1991) über Nacht zu überzeugten Demokraten wurden.

Zwei neuere ungarische Filme hinterließen einen zwiespältigen Eindruck. Von Marta Meszaros, der besten ungarischen Regisseurin, zeigte man „Das siebente Zimmer", eine italienisch-französisch-polnisch-ungarische Produktion über das Schicksal von Edith Stein. „Csokkal es köröm-mel" (Küsse und Kratzer) von György Szomjas zeigt zwei Mädchen im heutigen Budapest und ihren Kampf um Geld und Liebe. Daß die Story tragisch endet, liegt an der Tendenz der ungarischen Filmemacher, fast keinen Film mit einem happy end ausgehen zu lassen.

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