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Eine Verfallszeit?

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Und doch ist es eigenartig, daß sich trotz all dieser vielen wissenschaftlichen Erfolge die christliche Archäologie bis heute, selbst in geistlichen und manchmal auch sogar in wissenschaftlichen Kreisen, noch nicht vollkommen durchsetzen und die nötige Achtung verschaffen konnte. Die Gründe dafür sind verschieden, und abschließend sei versucht, einiges davon kurz anzudeuten.

Zuerst ist es wohl die Minderdritten Folge: „lnscriptiones chri-stianae“, erschienen sind. Der dritte Band allein, der nur die Inschriften der Cömeterien an der Via Ardeatina (Domitilla und Nunziatella) zum Inhalt hat, umfaßt nur 4940 Inschriften, von denen bisher 3650 veröff entgeht waren.

In der vierten Serie, die den Titel „Sussidi allo studio delle Antichitä Cristiane“ trägt, erschienen bisher ein Buch über die Damasianischen Inschriften von P. Fenua, das Corpus der jüdischen Inschriften von Frey, und von R. Canova ein Werk über die Inschriften und Monumente im Lande Moab.

Die fünfte und letzte Reihe mit dem Titel „Studi di Antichitä Cristiana“ enthält neben den Akten des IV. und V. Kongresses für Christliche Archäologie (Rom, 1938, und Aix-en-Pro-vence, 1954) eine Arbeit von Professor Schuchert über St. Maria Maggiore zu Rom, eine weitere von S. Prete mit dem Titel „1 Santi martiri Akssandro e Flllppo nella Chiesa Fermana“, schließlich ein postumes Werk von De Rossi, .Sulla questione del vaso di sanque“, ferner von E. Bourque „Etüde Sur les sacramentaires ro-mains“, dann die wertvolle Dissertation von Professor Mazzotti über die Basilika St. Apollinare in Classe und die von P. G. Ferrari, „Early Roman Monasteries“, schließlich die Arbeit von G. C. Menis unter dem Titel „La basilica paleocristiana a Nord dl Aquileia“. bewertung der Spätantike als „Verfallszeit“. Man hört heute immer noch über das „klassische Griechenland“, für Rom gilt gerade noch das erste Jahrhundert als die „Zeit der klassischen Latinität“, alles andere wird schon als „Verfall“ betrachtet und eines Studiums nicht mehr für würdig befunden. Nun liegt aber der Schwerpunkt in diesem Fachgebiet in der Zeit vom 3. bis zum 5. Jahrhundert, und fällt somit in die bewußte Kategorie.

Eine weitere Schwierigkeit ist, daß die christliche Archäologie in zwei Disziplinen zugleich fußt. Sie ist ein Teil der historischen Theologie und daneben auch ein Zweig der römischen Archäologie. Nun war es aber besonders im vergangenen Jahrhundert so, daß gerade von seifen der Archäologie der Theologie wirklich ernstliche Schwierigkeiten gemacht wurden. Auf der anderen Seite wollte man in der christlichen Archäologie gerne wieder apologetisches Beweds-material finden — ein Versuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Nach dem Mißerfolg wurde dann die christliche Archäologie nicht nur als zweitrangig und als lästiges Anhängsel, sondern häufig auch als überflüssig angesehen.

Oft hat man auch eigene, falsche Meinungen und Vorstellungen in diese Zeit hineinprojiziert und so eine Phantasiewelt geschaffen, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. In den Katakomben, den frühchristlichen Friedhöfen, wollte man nur Märtyrergräber und Verstecke von Christen in vorkonstantinischer Zeit sehen. Einen literarischen Niederschlag fand diese Gedankenwelt in Romanen, wie „Fabiola“ von Kardinal Wiesemann, in „Quo vadis“ und anderen. Dazu meinten noch fromme Prediger hier all das zu finden, was sie für ihre erbaulichen Ansprachen gerade brauchten.

Der hauptsächliche Grund dürfte wohl in der allgemeinen Unkenntnis über die christliche Archäologie überhaupt liegen. Darüber fiel das harte Wort von Professor Wilpert: „blas-phemant quod ignorant“, in seinem Buch „Erlebnisse und Ergebnisse“. Aber es ist ja auch schon durch den engen Kreis von Fachleuten, die sich auf diesem Arbeitsgebiet betätigen, gegeben, daß die christliche Archäologie keine so allgemeine Verbreitung gefunden hat, wie es wünschenswert wäre. Diese Unkenntnis ist also zumindest unverschuldet und ungewollt, denn das notwendige Interesse wäre wahrscheinlich doch vorhanden!

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