Werbung
Werbung
Werbung

Aktuelle Verse

Volkstheater, Wien

Man braucht Gotthold Ephraim Lessings Plädoyer für Toleranz "Nathan der Weise" keine Modernismen aufzusetzen, um sein Aktualität zu beweisen. Da hat Hans Escher in seiner, ganz auf das Wort konzentrierten Inszenierung im Wiener Volkstheater durchaus recht. Doch der erste Eindruck lässt weniger an zeitloses Spiel als an eine gelüftete Mottenkiste denken: mit einem Allzweckbühnenbild (Werner Schönolt) - eine düstere Halle mit vielen Türen und sinnlos herumstehenden Fauteuils - und Kostümen (Birgit Hutter), die man nur mehr als eigenwillig bezeichnen kann. Sich an dieses Ambiente zu gewöhnen dauert etwa so lange, wie das Ensemble braucht, sich davon freizuspielen.

In diesem beeindrucken vor allem Thomas Stolzeti als Nathan, dessen innere Stärke deutlich sichtbar wird und Fritz Karls jugendlich naiver Tempelherr, dem nur langsam seine Vorurteile bewusst werden. Hans Eschers Inszenierung ist konservativ, doch sie gewinnt zunehmend an Dichte. Wenn ihr etwas sehr gut gelingt, dann zu zeigen, wie heutig Lessings Sprache - trotz Blankvers - ist. Behutsamer dramaturgischer Umgang vorausgesetzt.

Annemarie Klinger

Gedrillte Zofen

Eisenhand, Linz

Im "Eisenhand", einer dislozierten Bühne des Linzer Landestheaters, hatten "Die Zofen" von Jean Genet in der subtilen Regie von André Turnheim das Premierenpublikum so fest im Griff, dass die mit Spannung aufgeladene Atmosphäre am Schluss atemlose Stille erzeugte. Schauplatz des ritualisierten Rollentauschs und Wortgemetzels der mordlüsternen Schwestern ist das Schlafzimmer der Gnädigen Frau, die von Sven-Christian Habich mit Damenperücke und Pelzstola in grotesker Komik verkörpert wird. Silvia Glogner gibt als Claire eine selbstverliebte, exaltierte Gnädige Frau und Sigrun Schneggenburger als Solange und "Claire" eine gehässige Domestikin. Im Handumdrehen sind sie beide zwei Devotheit und Loyalität heuchelnde, perfekt gedrillte Zofen. Lichteffekte und psychedelisch anmutende Musik (Andreas Schilling) verleihen der Inszenierung einen sinnlich-morbiden Reiz, bis das exzessive Spiel aus Schein und Sein zum tragischen Ende gerinnt.

Margret Czerni

Zarte Schatten

Stifterhaus, Linz

Sein vertontes Gedicht "Hoamatland" dient längst als oberösterreichische Landeshymne. Aber wer war Franz Stelzhamer wirklich? Erhellende Antworten auf diese Frage gibt die Ausstellung "Franz Stelzhamer - Wanderer zwischen den Welten. Dokumentation eines Lebens in Bruchstücken" in der Galerie des StifterHauses in Linz Anlass dafür ist die 200. Wiederkehr des Geburtstages dieses oberösterreichischen Dichters (1802 bis 1874), dessen Image zurechtgerückt werden sollte: Schrieb der gebildete Mann doch nicht nur erfolgreich in obderennsischer Mundart, sondern auch in Hochdeutsch. Er sei aber, wie Silvia Bengesser in dem von ihr herausgegebenen Ausstellungskatalog erklärt, "aus dem Hauptstrom der österreichischen Literaturgeschichte in einen regionalen Seitenarm gedrängt" worden. Kaum ein Besucher verlässt wohl die Ausstellung, ohne reflektierend in den Anblick der Decke des schönen Gewölbes der Galerie zu versinken, die das gespiegelte Bild eines blassblauen Himmels mit zarten Wolkenschatten wiedergibt, das als Metapher für Leben und Werk des Dichters gelten kann. (Bis 15. Mai)

Margret Czerni

Das Operettenjahr ist ein Erfolg

Volksoper, Wien

Schon wieder keine Buhs: Das Jahr der europäischen Operette an der Wiener Volksoper scheint ein voller Erfolg zu sein. Mit großem Wohlwollen wurde letzten Samstag "Die Generalin" von Amadeo Vives aufgenommen, eine Zarzuela aus dem Jahr 1912, aus einer Zeit also, in der sich das typische spanische Singspiel stark an der internationalen Operette orientierte. Eine Zarzuela von Vives, das bedeutet: leichte, aber nicht seichte Unterhaltung mit herrlichen Melodien, die vom Volksopernorchester unter Alfred Eschwé auch mit dem notwendigen Pathos zum Erklingen gebracht wurden.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der verarmte, im englischen Exil lebender König Cyrill II. von Moldawien (Ernst-Dieter Suttheimer, ein Komödiant der Extraklasse) möchte seinen Sohn Pius (strahlend: Dario Schmunck) an Prinzessin Olga, die Thronerbin einer noch regierenden Dynastie (perfekt: Arona Bogdan) verheiraten. Als der Coup eingefädelt wird, verliebt dieser sich jedoch Hals über Kopf in die lebenslustige Generalsgattin Berta (überragend: Edith Lienbacher) ... Das zu erwartende Happy End kommt jedoch nicht ohne ernste Untertöne: der junge Prinz muss lernen, dass schwärmerische Verliebtheit etwas anderes ist als wahre Liebe. Bei allem Witz ist eine Zarzuela nämlich keine eskapistische, sondern eine durchaus gesellschaftsverbundene Kunstform, was sich im Falle der "Generalin" in beißender Kritik am Hochadel äußert.

Schön wäre noch gewesen, wenn Regisseur und Zarzuela-Spezialist Emilio Sagi dem Wiener Publikum nicht den schon bekannten internationalen, leicht distanzierten Operettenregie-Stil, sondern eine authentisch spanische Umsetzung geboten hätte. Trotzdem: Der vielgescholtene Volksoperndirektor Dominique Mentha sammelt weiter Pluspunkte.

Michael Krassnitzer

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung