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Der bosnische Islam unter Tito

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Die äußerst schwierige Lage der benachbarten christlichen Kirchen und ihr mutiger Widerstand gegen die bestehende Verfolgung bietet dem mit allen Merkmalen eines Diasponagkuben behafteten bosni- sAen Islam Trost in seiner eigenen Not; aber zugleich ist es TatsaAe, daß er die zahlreichen Härten, die ihm die neue, kommunistisAe Ära bereitet, viel schmerz- liAer empfindet als die christliAen GemeinsAaften. Denn durch die SAlie- ßung der vier Jahrhunderte alten moslemi- sAen Theologieseminare (Medresas), die AbsAaffung der kanonisAen Gerichtsbarkeit der Kadiämter, die Verstaatlichung der frommen Stiftungen (Waafs), die Ein führung der Zivilehe und damit zusammen juridisA und faktisA die Ermöglichung der Verheiratung moslemisAer Mädchen und Frauen an Andersgläubige und das fak-

tisAe Verbot der Mekkapilgerfahrten wird der Lebensnerv des Islams empfindlich verletzt.

Mit einem anderen Gegenspieler als mit dem kommunistisAen Doktrinär Tito hätten die jugoslawischen Moslems viel leicht auskommen können. Seine Volksbefreiungsbewegung batte dazu beigetragen, die von den serbischen Tschetniks bereits im großen betriebene Ausrottung der Moslems zu stoppen; ihr waren in Jugoslawien 8 4.0 00 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer gefallen. MuslimisAe Bauern batten Tito in seinen kritischesten Situationen Beistand geleistet und namentlich während der beiden großen deutsAen Offensiven seinen arg hergenommenen Partisanenstock durch ihren Einsatz auf der Höhe gehalten. Es sAien also eine Grundlage für beiderseitiges Einvernehmen gegeben zu sein.

TatsäAliA konnte siA in den ersten NaAkriegsjahren (1945 46) das islamisAe religiöse Leben unter ziemliA erträgliAen Bedingungen entwickeln. Es wurden sogar auf dem Lande neue MosAeen gebaut und alte zerstörte wiederhergestellt. Die Isla- misAe Religiöse GemeinsAaft (IVZ) bekam eine neue autonome Verfassung, auf die sie unter Pavelic vergebliA gewartet hatte. Es wurde ein neues religiöses Oberhaupt (Reisul-ulema) gewählt. Die Wahl fiel auf den ehemaligen Bürgermeister von Mostar, Ibrahim Efendi Fejii, einen wohlgebildeten und ehrenhaften Mann, der aber keine hohe theologische Bildung genossen hatte, wie etwa die inzwisAen zum Tode verurteilten hohen geistlichen Würdenträger Ali Efendi Aganoviö, der dann begnadigt wurde, Mustafa Busuladzic, Vorsitzender des religiösen Vereines „Mladi Muslimani“ (der Jungmoslems), und vor allem wie der hochangesehene Kasim Efendi Dobraca, der zu

15jährigem Gefängnis verurteilt wurde und wegen seiner heldenmütigen Standhaftigkeit moslemisAerseits dem ErzbisAof Stepinac gleiAgestellt wird. Die Moslems durften zwei eigene Zeitungen, „Novo Doba“ („Neue Zeit“), das Organ des Haupt- aussAusses der in der Volksfront vertretenen Moslems, und „Novi Behar“ („Neue Blüte“), eine literarisAe Zeitschrift, herausgeben. Es wurde ihnen auch eine eigene Kulturtätigkeit im Rahmen ihrer DaA- organisation „Preporod“ („Wiedergeburt") erlaubt, in die 1946 sämtliAe moslemische Kultur- und Wohltätigkeitsvereine eingegliedert wurden. Auch auf dem politischen und wirtsAaftliAen Gebiet sAienen Hoffnungen am Platze zu sein, weil in der Föderativrepublik die Moslems dem langersehnten Ziel einer Selbstverwaltung ihrer engeren Heimat theoretisA ganze nahe zu sein sAienen, und weil die neue Regierung den verarmten moslemischen Massen Arbeits- mögliAkeiten in der Industrie und auf dem öffentliAen Markte bot. Die angekündigte Neuaufteilung des Landesbesitzes stellte praktisA eine Revision der Agrarfrage in AussiAt, deren seinerzeitige ungereAte

Lösung im KönigreiA Jugoslawien eine massenhafte Proletarisierung unter den Moslems verursacht hatte.

Die spätere Entwicklung machte aber den Großteil aller Hoffnungen zuniAte. Jene antireligiöse SAraube, die zuerst die katho- lisAe KirAe traf, erfaßte sehr bald — als zweite — die islamisAe GemeinsAaft. Es wurden die restliAen Medresas und Mektebs (ElementarsAulen für ReligionsunterriAt) geschlossen, die islamisAe theologisAe Hoch- sAule von Sarajevo, die einzige Anstalt ihrer Art in Europa, aufgelassen (in ihrem sAönen, noA von OsterreiA gebauten großen Gebäude im maurisAen Stil ist jetzt die juristisAe Fakultät der bosnischen Universität untergebruAt), es erfolgten Ae übliAen Attacken auf die GeistliAen, es begann die systematisAe Entfremdung der Jugend gegenüber dem Elternhaus und der Tradition, und die moslemisAe Frau wurde zum Einsatz in die Industriearbeit gedrängt.

Selbst die äußeren Merkmal der alten islamverbundenen Zeit, die unter der Ö9ter- reiAisAen Verwaltung sorgsam gesAont worden waren, wurden beseitigt. So versAwand eines Tages die BasAtsAarsAija, der alte türkisAe Markt von Sarajevo, und die bunte SaratsAi-ulica, und man maAte mit der „Sozialisierung“ der Moslems un- heimliAen Ernst.

Wie weit die Moslems auf diese Praktiken antworten, zeigen vor allem die überfüllten Moscheen und die Rekordsummen bei der Einbringung der freiwilligen KirAensteuer, die in manchen Dörfern die vom Staate einzubeziehenden öffentlichen Abgaben bei weitem übertraf, sowie vor allem — wie in jeder Volksdemokratie — die politisAen Verfolgungsprozesse. Im Laufe von kaum etwas mehr als zwei Jahren wurden allein im bosnisAen Landesteil vier Monster prozesse gegen Moslems geführt. Einer von diesen VersAwörerprozessen galt der Aus- sAaltung der moslemisAcn Intellektuellen, die übrigen riAtcten siA gegen Bauern (Verhandlung in Bihac 1948) und gegen eine Widerstandsgruppe der Jugend, „Mladi Muslimani", die durA ihre Aktivität erst vor kurzem in der WeltöffentliAkeit von siA reden maAte. Der Widerstand dieser jungen Männer, meistens Studenten und SAüler, verdient deswegen besondere BeaAtung, weil sich seine Vertreter zu einer durAaus positiven, ideologisA festen Lebenseinstellung bekennen und in ihren Taten von einem hohen sittlichen Verantwortungsgefühl geleitet werden. Damit fügt sich diese wichtigste Widerstandsbewegung der bosnisAen Moslems ein in den großen Weltrahmen des Kampfes um die Gewissensfreiheit, den die zivilisierte Welt führt.

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