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Die Fremdarbeiter kommen!

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Der erste Versuch der Zweiten Republik, auf dem innereuropäischen Arbeitsmarkt Fremdarbeiter für die „Saison“ 1962 anzuwerben, scheint endlich von Erfolg gekrönt zu sein: Nach der Abfuhr im benachbarten Jugoslawien — Tito persönlich soll aus Prestigegründen den Abschluß der Verträge im letzten Augenblick verhindert haben — gelang es, mit Spanien zu einem Abkommen zu gelangen. Auch in Athen dürften die Verhandlungen zu einem positiven Abschluß führen.

Bereits Anfang Mai soll der erste Sammeltransport vom Baskenland nach Österreich rollen. Die Manager, die gegenwärtig in Madrid die Werbetrommel rühren — man hat bei der Bundeswirtschaftskammer eine Arbeitsgemeinschaft für die Anwerbung von Ausländern gegründet —, rechnen mit etwa 10.000 Fremdarbeitern aus Spanien. Ebenso viele hofft man in Griechenland anwerben zu können. Das Kontingent von 48.200 Fremdarbeitern, auf das man sich in den Verhandlungen zwischen Bundeswirtschaftskammer und Gewerkschaftsbund einigte, bleibt für heuer allerdings ein Traum, da mit der Werbung viel zu spät begonnen wurfleT“,13

Wirtschaftskrise machen die zögernde Haltung des Gewerkschaftsbundes für den späten Start in der Fremdarbeiterfrage verantwortlich. Die „Märkte“ in den in Frage kommenden Staaten sind von den Managern aus der Bundesrepublik und aus der Schweiz schon abgeschöpft. Die Eidgenossen beschäftigen bekanntlich jährlich rund 450.000 Fremdarbeiter — jeder fünfte Arbeitnehmer ist in der Schweiz ein Ausländer —, und auch die Deutschen decken einen bedeutenden Prozentsatz ihres ungeheuren Bedarfes an Arbeitskräften im Ausland.

Die Konkurrenz, die uns die Deutschen und Schweizer auf dem inner-europäischen Arbeitsmarkt machen, resultiert aus dem Angebot höherer Nettolöhne. Österreich bietet zwar mehr Sozialleistungen, die aber den „Saisonarbeitern“ aus dem Ausland nicht in vollem Umfang zugute kommen. Außerdem wollen gerade die Südländer möglichst viel Geld auf die Hand.

Wie Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, ist es freilich auch wichtig, daß für die soziale Sicherheit der Fremdarbeiter — etwa im Falle einer Krankheit oder eines Unfalles — entsprechend gesorgt wird. Man muß es daher zweifellos begrüßen, daß das ASVG in Österreich auch für Ausländer angewendet wird. Überdies bestehen mit der Deutschen Bundes-retmblik, der Schweiz und Italien auch bilaterale Sozialversicherungsverträge. Es wäre empfehlenswert, wenn man auch mit Spanien und Griechenland zu einem ähnlichen Übereinkommen käme.

Schon auf Grund des Internationalen Fremdenrechts — seine Anwendung ist auf Grund des Art. 9 der Bundesverfassung gegeben — ist den Ausländern ein bestimmtes Mindestmaß an Rechten zu gewähren. In der Regel ist es in Kulturstaaten so, daß Fremdarbeiter den Inländern — abgesehen von den politischen Rechten -weitgehend gleichgestellt sind. Si« sind Träger von Rechten und Pflichten und können alle jene Privatrechte erwerben, „die für die leiblich-seelische Natur des Menschen unentbehrlich sind“ (Verdroß: Völkerrecht, Springer-Verlag, 1959, S. 287).

Folgende Rechte sind hier gemeint:

• Die Fähigkeit, Eigentum an Bedarfsgegenständen des täglichen Lebens zu erwerben;

• die Vertragsfähigkeit;

• die Ehefähigkeit;

• die Fähigkeit, Erblasser und Erbe sein zu können.

Selbstverständlich sind die Spanier und Griechen während ihres Aufenthaltes in Österreich unserer Gesetzgebung und Vollziehung unterworfen, doch bleibt das auf die Personalhoheit begründete Treueverhältnis gegenüber ihren Heimatstaaten bestehen. Das bedeutet, daß z. B. die Basken einem Einberufungsbefehl aus Madrid sofort Folge leisten müßten, falls nicht durch eine Vertragsnorm auf dieses Recht verzichtet wurde.

Die Gleichstellung mit den Inländern, die auf Grund des Internationalen Fremdenrechtes gefordert wird, ist vor allem im Hinblick auf die Vollziehung bedeutsam: keine unbegründete Verhaftung, kein Eingriff in Eigentum und Ehre der Ausländer, keine Verurteilung ohne gesetzmäßiges Verfahren. (Diese Maximen sind durch die österreichische Gesetzgebung hinreichend garantiert, so durch Paragraph 37 unseres Strafgesetzbuches: „Auch über einen Fremden, der im österreichischen Staatsgebiet ein Verbrechen begeht, ist nur nach gegenwärtigem Gesetz das Urteil zu fällen.“)

Daß die Fremdarbeiter auch das Recht haben, ihre Religion frei auszuüben, sofern diese nicht den guten Sitten widerspricht, ist selbstverständlich. Daraus kann man aber auch die Verpflichtung des Unternehmers ableiten, den Fremdarbeitern die Möglichkeit zum Besuch etwa des Sonntagsgottesdienstes zu geben. (Eine andere Frage ist die, wieweit sich die Kirche schon Gedanken über die religiöse Betreuung der Fremdarbeiter gemacht hat.)

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