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Digital In Arbeit

Die Grundsätze der katholischen Soziallehre

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Schon lange gehörte es zu den dringlich gewordenen Anliegen der Katholiken in Oesterreich, sich selbst und die Randschichten wieder mit den Grundsätzen der katholischen Soziallehre vertraut zu machen. Dem schon oft geäußerten Anliegen trug nun das Katholische Bildungswerk der Diözese Wien Rechnung und ließ durch den Sozialethiker Walter R i e n e r ein „Soziales Handbuch“ verfassen.

Das sehr handliche (in Taschenformat herausgegebene) und vom Verlag geschmackvoll ausgestattete Buch ist in seinen Kapiteln wie folgt gegliedert: Die Kirche und die soziale Frage — Das christliche Menschenbild — Die christliche Naturrechtslehre — Toleranz — Die Lehre von der Gesellschaft — Ehe und Familie — Eigentum — Ordnung der Gesellschaft nach Leistungsgemeinschaften — lieber den Staat — Kirche und Staat — Völkergemeinschaft — lieber die Ordnung der Wirtschaft — Die Arbeit — Gewerkschaften — Gesellschaftliche Ordnungssysteme — Sozialer Umbruch und Aufbruch.

Schon die Titel der einzelnen Abschnitte des Buches zeigen, daß gerade jene Probleme der Gesellschaft der Gegenwart aufgegriffen wurden, die heute von gewichtiger Bedeutung sind.

In der Darstellung der Prinzipien der Soziallehre der Kirche geht der Verfasser methodisch bzw. pädagogisch-didaktisch so vor, daß er jeder Frage ein Kapitel widmet und sodann die Kapitel lexikonartig aneinanderreiht. Durch die angewandte Darstellungsweise hat der Leser bzw. der Benutzer des Handbuches die Möglichkeit, sich schnell über ein Sachgebiet oder über ein Stichwort zu orientieren, wobei ein umfangreiches Sachregister dem Leser das Aufsuchen etwa eines Stichwortes oder einer Begriffsformulierung sehr erleichtert.

Wenn auch das Handbuch keineswegs — wie der Verfasser im Vorwort sagt — „in einem“ zu lesen ist (wie das eben im Charakter eines Handbuches liegt), so kann der volle Wert des Buch und sein Bildungsziel erst erreicht werden, wenn der Leser sich die Mühe nimmt, den Stoff der 250 Seiten des Buches zur Gänze durchzuarbeiten.

Was das Sachliche der Stoffdarbietung betrifft, so muß dem Autor das Zeugnis ausgestellt werden, daß er es in vorzüglicher Weise versteht, die Festigkeit in den Prinzipien mit der Aufgeschlossenheit für die aus der Entwicklung der Gesellschaft entstandenen neuen Problematik zu verbinden. Darüber hinaus weiß auch der Autor vom Wunsch nach Klärung strittiger Begriffe und eindeutigen, für die soziale Schulung notwendigen Begriffsdefinitionen, einem Wunsch, den er weitgehend zu erfüllen bestrebt ist: Im Abschnitt über die Subsidiarität, die Toleranz, über Kirche und öffentliches Leben (mit der Festlegung der relativen Zuständigkeit von Hierarchien und Laien), Eigentum, soziale Entwicklung, „Linkskatholizismus“, Einheitsgewerkschaft usw. Anderseits vermeidet es der Verfasser, dort Grenzen für ein Gespräch zu ziehen, wo sie unnütz sind, ja, wo ein Gespräch, eine „offene“ Diskussion über katholische Sozialprinzipien geradezu gefordert werden muß.

Das Handbuch gehört nicht allein in die Hand der Führer, sondern auch der bildungsbeflissenen Katholiken überhaupt.

Wir erkennen immer mehr, daß der Katholik nicht allein den Problemen gewachsen sein muß, die sich ihm in einer nur-religiösen Diskussion stellen, sondern daß er darüber hinaus u. a. auch in Situationen bestehen soll, die nur indirekt religiösen Belang haben, aber an sich unmittelbar aus der Wirklichkeit der Gesellschaft heraus entstanden sind.

Von russischer Freundschaft zu russischem Groll 1871—1878. (Diplomatische Geschichte des Zweiten Reiches von 1871—1918.) Von Friedrich Hasel-mayr. 1. Buch. Verlag F. Bruckmann. 188 Seiten.

Der Angelpunkt der Bismarckschen Politik, in welcher er sich mit dem alten Kaiser einig wußte, war die Aufrechterhaltung bzw. Uebertragung der alten russisch-preußischen Freundschaft auf das neue Deutschland. Der Fürst wußte, daß sein kunstvolles diplomatisches Gebäude von der Rückendeckung im Osten abhängig war. Er hat deshalb in einem seiner geschicktesten Spiele die drei europäischen Kaiserreiche zu einer neuen dynastisch-politischen Einheit zusammenzuführen verstanden. Als sie wieder zerbrach, war der europäische Friede latent in Gefahr. Als die Feindschaft mit England dazutrat. kam der Krieg. Es ist also ein Schlüssel zur politischen Geschichte Europas, zu wissen, wie sich die russisch-deutsche Freundschaft zu Feindschaft wandelte.

Der Rezensent gesteht, daß er im allgemeinen kein Freund von historischen Leitfäden und sonstigen Konzentraten ist. Man bezahlt nur zu leicht die Verkürzung mit dem Verlust der Perspektive. Und nicht immer ist der Zweck, wissenschaftlich gesehen, „lauter“. Man denke an die pseudohistorische alldeutsche

Propaganda, an die Geschichtsklitterungen des „Dritten Reiches“, die eine nackte Uebertragung des Propagandageräusches auf den Lesetisch des Halbgebildeten darstellten. Dankbar kann man deshalb nur anerkennen, daß in diesem, wie es allzu bescheiden von sich selbst sagt, „volkstümlich^ gehaltenen Werke“ alle Erkenntnisse ernster und objektiver Forschung voll verwertet sind und daß ein vornehmer und leidenschaftsloser, politisch weitsichtiger Geist aus der flüssigen und anregenden Darstellung spricht. Man wünschte sich eine populäre Geschichte des siebenjährigen Krieges, der napoleonischen Aera und der preußisch-österreichischen Auseinandersetzung aus solchen Federn. Carl Peez

Wiedersehen mit Brideshead. Die heiligen und die profanen Erinnerungen des Hauptmanns Charles Ryder. Roman von Evelyn W a u g h. Claassen-Verlag, Hamburg. 326 Seiten.

Dem Roman von Waugh könnte als Motto voranstehen: Wer liest, der kennt England. Besser, der kennt seinen Humor, seine Noblesse, seine Zurückgehaltenheit, seine (scheinbare) Langeweile, seine Ruhe, seine freundlichen Bewohner, seine Studenten, sein Imperium, die stille, aber große Auseinandersetzung mit dem Katholizismus. Ein Motto, das

überflüssig ist, da der Autor dem Werk selbst ein viel besseres Motto voranstellte, indem er sagt, daß dieser Roman den Versuch darstelle, dem Wirken dessen, was Gott mit einer heidnischen Welt vorhabe, nachzuspüren. Es ist das Schicksal einer englischen, aristokratischen und — katholischen Familie, deren Leben zwischen den beiden Weltkriegen vor den Augen der Leser abrollt. Ein Schicksal, das das Wesen Englands immer wieder aufblitzen läßt. Wer England kennt, wird viele eigene Beobachtungen bei der Lektüre des Buches bestätigt finden, wer Eng-Lind nicht kennt, dem wird das Buch eine Ahnung geben von dem Leben dieser Insel.

DDr. Willy Lorenz

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