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Die Wahrheit um die Potsdamer Agreements

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Nach schwierigen Vorverhandlungen über den Tagungsort der Konferenz der vier Außenminister wurde am Sonntag bekannt, daß sich die vier Mächte dahin einigen konnten, die Berliner Beratungen abwechselnd im Gebäude der Alliierten-Kontrollkommission in West-Berlin und in der Sowjetboschaft in Ost-Berlin abzuhalten. Damit gewinnt auch die nachgerade verzweifelte Hoffnung Oesterreichs, auf dieser entscheidenden Begegnung endlich zu seinem Recht zu kommen, einige z ussicht auf Erfüllung. Eine der bedeutendsten Fragen in dem Komplex stellt die des deutschen Eigentums in Oesterreich dar, auf die in der nachstehenden international-rechtlichen Interpretation durch einen erfahrenen älteren Diplomaten ein überraschendes neues Licht fällt. „Die Furche"

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Nach schwierigen Vorverhandlungen über den Tagungsort der Konferenz der vier Außenminister wurde am Sonntag bekannt, daß sich die vier Mächte dahin einigen konnten, die Berliner Beratungen abwechselnd im Gebäude der Alliierten-Kontrollkommission in West-Berlin und in der Sowjetboschaft in Ost-Berlin abzuhalten. Damit gewinnt auch die nachgerade verzweifelte Hoffnung Oesterreichs, auf dieser entscheidenden Begegnung endlich zu seinem Recht zu kommen, einige z ussicht auf Erfüllung. Eine der bedeutendsten Fragen in dem Komplex stellt die des deutschen Eigentums in Oesterreich dar, auf die in der nachstehenden international-rechtlichen Interpretation durch einen erfahrenen älteren Diplomaten ein überraschendes neues Licht fällt. „Die Furche"

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Wenn Oesterreich durch einen „Staatsvertrag“ von der Okkupation durch fremde Mächte befreit und zu einem wirtschaftlich unabhängigen und hiemit politisch freien Staate gemacht werden soll, so muß über folgende Tatsachen Klarheit und Wahrheit verbreitet werden:

Mag der Staatsvertrag in welcher Form immer abgefaßt werden — unter keinen Umständen darf zu jenen Ungeheuerlichkeiten eines Vertragsentwurfes zurückgekehrt werden, der nach 258 Sitzungen ein unrühmliches Ende gefunden hatte.

Vom Anfang bis zum Schlüsse war dieses Operat aus Verworrenheit, Mißgunst und Mißverständnis geboren. Der französische Senator Ernest P e z c t hat deutlich genug die Widersinnigkeiten und Gefahren dargelegt, die aus einem solchen Vertrage nicht nur für das österreichische Volk, sondern auch für die ganze westliche Kultur in den demokratischen Staaten zwangsläufig erwachsen würden. In der Hitze von 258 Debatten hat man anscheinend vergessen, daß es sich nicht um Strafen und Rachemaßnahmen, nicht um Abrechnung zwischen Russen und Oesterreichern handelt, sondern um eine internationale Vereinbarung, vermöge deren, einem Versprechen der Großmächte gemäß, „dem ersten Opfer der Naziaggression“ seine Freiheit wiedergegeben und gewährleistet werden sollte.

Einer der schwersten „Geburtsfehler“, von dem die Verhandlungen belastet waren, liegt in der Annahme, daß die Okkupanten — die „Befreier“ — laut der Potsdam-Agreements, unter dem Titel „Deutsches Eigentum“ in Oesterreich alle Objekte in Anspruch nehmen können, die zur Zeit der nationalsozialistischen Okkupation deutsches Eigentum waren. So ist die Mißdeutung unwidersprochen und unwiderlegt geblieben, es stehe in den Potsdam-Agreements geschrieben, daß das befreite Oesterreich alles von den Deutschen bis zur Befreiung okkupierte, annektierte, produzierte, fruktifizierte Staatseigentum in Ostösterreich dem Sowjetgouvernement überlassen müsse.

Das ist nicht wahr!

In den Potsdam-Agreements, IV, Punkt 9, steht klar und deutlich:

In Bulgarien, Finnland, Ungarn, Rumänien … und im östlichen Oesterreich, könne das deutsche Auslands vermögen, „German foreign assets“, von den Sowjets beansprucht werden.

Solange Oesterreich von Deutschland okkupiert war und als annektierter Teil des Reiches behandelt wurde, war das Staatseigentum nicht Auslandscigentum, sondern Inlands eigentum. Die Großmächte haben in den Moscow-Declarations die Oesterreich aufgezwüngene Annexion als „null and void“ erklärt, und hiermit ist auch die durch die Annexion herbeigeführtc Behandlung österreichischen Gutes als Deutsches Eigentum null und nichtig. Es verbleibt im östlichen Oesterreich — ganz ebenso wie in Bulgarien, Finnland, Ungarn, Rumänien — als deutsches Auslandscigentum nur, was vor der Annexion deutsches Eigentum war oder später als deutscher Privatbesitz hereingetragen wurde.

So hat der Vertreter Großbritanniens, Sir Georges Rendel, schon im September 1947 bei den diesbezüglichen Verhandlungen der Großmächte erklärt, daß

Deutschland, sobald es in seine früheren Grenzen zurückgewiesen wurde, offen- kundiger weise keinerlei Rechte an irgendeinem auswärtigen Staatseigentum hatte. Besitzungen zu übernehmen, die sielt Deutschland außerhalb seiner Grenzen durch irgendwelche Methoden gesichert hatte, würde bedeuten, die Ungerechtigkeiten, die das Naziregime verbrochen hat, dauernd fortzusetzen“ (to perpetuate).

Trotz alledem war man weiterhin bei den Verhandlungen so sehr von der Vorstellung der Beschlagnahme allen „deutschen Eigentums“ beherrscht, daß vorwiegend über die Entziehung der wertvollsten Bodenschätze und die Einschränkung wichtiger Hoheitsrechte diskutiert wurde, um nur endlich zu einem Abschlüsse zu gelangen. Es wurden Vertragsartikel stilisiert,' deren Anwendung zur totalen wirtschaftlichen und hiermit auch politischen Unterwerfung Oesterreichs als Satellitenstaat geführt hätte.

Jetzt aber, angesichts einer vielleicht doch erfolgenden Anbahnung, eines gerechten Staatsvertrages, ist es Pflicht aller Oesterreicher, mit aller Kraft, jeder im Rahmen seines Könnens und seiner Befugnisse, für die Wahrheit um die Moskauer Deklaration und die Potsdamer Agreements, und damit für ein freies, unabhängiges Oesterreich zu wirken.

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