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Kirche und Staat

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Ein klares, allgemein anerkanntes Rechtsverhältnis zwischen Staat und Kirche bedeutet Ordnung, Sicherheit und Beruhigung nach beiden Seiten: für die, die der Religionsgemeinschaft angehören, und für die, die ihr nicht angehören, erklärte Erzbischof-Koadjutor Dr. J a c h y m am Samstag im Sender Rot-Weifj-Rot. Die für die Arbeit der nächsten Zukunft in Oesterreich notwendige Zusammenarbeit aller werde aber nur möglich sein, wenn auch in den Anliegen, die einem großen Teil der Bevölkerung heiligste und damit heikelste Dinge darstellen, endlich eine klare und saubere Lösung gesucht werde. Am guten Willen der Kirche werde es dabei nicht fehlen.

Dr. Jachym ging eingangs auf die stattliche Liste bisher ungelöster Fragen und Anliegen ein, die das von der Oesterreichischen Bischofskonferenz ausgegebene Weißbuch enthält, und erklärte, er hoffe, daß dieser Eindruck auch Regierung und Volksvertretung veranlassen werde, sich dem Thema der Beziehungen zwischen Kirchs und Staat doch einmal ernstlich und guten Willens zuzuwenden.

„Oesterreich hat es doch in diesen Jahren selbst bitter und leidvoll erfahren, was es heißt, durch so lange Zeit nur um sein gutes Recht, nur um Freiheit und Selbständigkeit kämpfen und ringen zu müssen“, erklärte der Erzbischof weiter. „So hätten wir denn angenommen, dah diese Stunde, da ihm endlich der Erfolg beschieden war, da endlich der Staatsvertrag geschlossen werden konnte, auch eine Stunde besonderer Aufgeschlossenheit und Bereifschaft sein wird, nun auch im Innern des Staates Recht Recht sein und werden zu lassen — auch gegenüber der Kirche!“

„Eine ständige Unsicherheit und ein dauerndes Angewiesensein auf Gnade und vielleicht gar Laune des Tages und der zuständigen Behörden ist der Kirche unwürdig, aber schließlich auch des Staates!“ So hat denn immer eine vernünftige Siaatsführung ein klares und gutes Verhältnis zu den Religionsgemeinschatten angestrebt.

„Ein Lösungsversuch in dieser Hinsicht, der auf weite Strecken gar nichts Neues geschaffen hatte, war auch das Konkordat von 1933“, erklärte Dr. Jachym. „Trotz der schwierigen Zeit in diesen Jahren meinen wir doch, dah dieser Verlrag damals wie auch andere internationale Uebereinkommen rechtsgültig und verpflichtend zustande kam. Wäre jemand vom Gegenfeil wirklich überzeugt, warum ruft er dann noch die sogenannte Annexionstheorie zu Hilfe, um das Konkordat als ungültig zu erweisen? Aber selbst wenn wir einmal den Einmarsch der Deutschen in Oesterreich im Jahre 1938 als Annexion bezeichnen, was soll denn die Moskauer Deklaration vom Oktober 1943 für einen Sinn haben, wo Amerika, England und Rußland die Oesterreich aufgezwungene Annexion als null und nichtig erklären? Das kann doch nur heißen, daß, wenn schon sonst unter Umständen Annexionen bestimmte Wirkungen und Folgen haben können, in diesem Fall doch die Annexion als ungeschehen und wirkungslos befrachtet wird! Oesterreich ist also 1938 nicht untergegangen und 1945 ist nicht etwas Neues entstanden, sondern das alfe Oesterreich ist wieder erwacht, mif allen seinen Rechten und Verpflichtungen von vorher — auch mit der Verpflichtung, das Konkordat einzuhalten!“

Gegenstand eines solchen Vertrages seien natürlich Angelegenheiten, die Staat und in gleicher Weise Kirche interessieren. So habe der Staat auf dem Gebiet der Ehe Rechte und Forderungen über vermögensrechtliche Fragen und über die Ehefähigkeit der Brautleute. Der Staat müsse wissen, wer überhaupt verheiratet ist. „Aber auch die Kirche hat hier ihre Interessen, denn die Ehe ist uns ein Sakrament. Daher ist eine Verständigung der beiden wirklich im Sinne von Friede und Ordnung gelegen. Ist es aber für den Staat notwendig, daß sein Beamter die Trauung vollzieht?“

Dr. Jachym zitierte weifer verschiedene Stellen des Weißbuches, die sich mif der Frage der staatlichen Aufsicht über die Eheschließung und die Interessen des Staates an einer richtigen Schulausbildung der Jugend befassen. Abschließend betonte der Bischof-Koadjufor, wenn sich das Weißbuch mit allen diesen Fragen befasse, ro geschehe es, wie immer wieder betont werde, im Interesse des inneren Friedens in Oesterreich. „Die Vertreter aller Parteien haben bei den eben vergangenen feierlichen Anlässen einmütig erklärt, in Oesterreich wird es auch in Zukunft nur aufwärtsgehen, wenn alle in Eintracht zusammenarbeiten. Wir meinen, diese dauernde Zusammenarbeit wird nur möglich sein, wenn man auch in diesen Anliegen, die für einen großen Teil der Bevölkerung eben heiligste und damit heikelste Dinge darstellen, endlich eine klare und saubere Lösung sucht! Am guten Willen der Kirche wird es dabei nicht fehlen!“

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