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Erzbischof Jachym zum Weißbuch

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In Bregenz sprach am 23. September Erzbischof-Koadjulor Dr. Franz Jachym über die im Weifjbuch der österreichischen Bischöfe dargelegten Probleme des Verhältnisses von Kirche und Staat in Oesterreich. Er führte unter anderem aus:

Das Konkordat 1934 ist trotz aller Schmerzen, unter denen es entstand, völkerrechtlich gültig zustande gekommen. Auch ist Oesterreich Rechtsnachfolger der ersten Republik und daher auch rechtsverpflichtet. Juristisch ist das Konkordat in Ordnung. Trotz dieses Rechts-stgndpunkfes will die Kirche gar nicht, dah jedes Wort des Konkordates aufrechterhalten bleibe, sie hat vielmehr zum Gespräch darüber aufgerufen, damit wieder zwei Souveräne, Kirche und Staat, miteinander verhandeln. Heute will man nicht mehr wahrhaben, dafj die Kirche eine Körperschaff öffentlichen Rechts darstellt, man will sie in das Vereinsrecht hinabdrücken. Man verwehrt ihr beispielsweise das den Kammern und Interessen-Vertretern zugestandene Recht der Begutachtung einschlägiger Gesefzes-variagen.

. Neben verschiedenen kleineren Fragen, sagte Erzbischof Jachym, meldet die Kirche zwei ganz grorje Anliegen an: Ehe und Schule. Wir haben in Oesterreich die geringste Geburlenrate, aber nahezu die höchste Ehescheidungsziffer. Ob das nicht doch mit der Einstellung zur Ehe zusammenhängt? Man hört, därj bei zunehmender Kinderarmut die Renten nicht “mehr gesichert seien. Eine Neuordnung mufj also kommen, ob sich das Ehekonzept der Kirche oder der anderen durchsetzt. Die Kirche war bemüht, in der Frage der „R e n t e n k o n k u b i n a t e“ eine erträgliche Lösung zu linden, und tatsächlich hat das neue ASVG einen guten Schritt vorwärts gebracht. Die Kirche wehrt sich dagegen, daf) der Katholik gezwungen wird, vor der Schliefjung einer sakramentalen Ehe ein Standesamt aufzusuchen. Das ist eine blofje Schikane, die es vor Hitler in Oesterreich nicht gab. Hier wäre nur guter Wille notwendig, es würde dem Staat gar nichts kosten.

In der Sehulfrage mühte sich auch allmählich die Gerechtigkeit durchsetzen, erklärte Dr. Jachym. Der Staat kann deri konlessionellen Privafschulan nicht auf die Dauer jene Subventionen, versagen, deren Gegenwert er auszugeben gezwungen wäre, wenn er selbst den Unterricht der Kinder bestreiten müt;le. Auch können die Ellern nicht in der Weise bestraft werden, dar) sie, falls sie ihre Kinder in eine Privatschule schicken, auher den normalen Steuerlasten auch noch ein zweites Mal für den Unterricht bezahlen müssen. Dafj etwa in den katholischen Schulen die staatsbürgerliche Erziehung vernachlässigt würde, kann mit Fug nicht behauptet, erst recht nicht bewiesen werden.

Weitere Fragen der Kirche an den Sfaat beträfen die Rückstellung des Religionsfonds, der 1938 der Kirche entzogen wurde, dann die Einführung des 8. Dezember als allgemein gültigen Feierlag und die hauptamtliche Militärseelsorge im neu zu schattenden Bundesheer, nicht zuletzt den Religionsunterricht in den Berufsschulen,

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