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Kirche und Staat in Osterreich

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Als im Herbst vergangenen Jahres die Konferenz der österreichischen Bisehöfe den Plan zu dieser Schrift guthief) und ihren Sekretär, Erzbischol-Koadjutor Dr. Jachym, mit der Ausführung betraute, konnte kaum ein anderes Ziel vorschweben, als aus Leid und Not der vergangenen Jahre Mut und Entschlossenheit auf dem Dornenweg zur vollen Freiheit und Unabhängigkeit zu gewinnen. Eine günstige Weltsituation hat uns inzwischen den Staatsvertrag und damit die Möglicheit gebracht, uns selber Gesetz und Ordnung für den Gang in die Zukunft zu geben. Damit erhält auch dieses Wort der österreichischen Bischöfe ein nachdrücklicheres Gewicht. „Denn Hoffnung und Freude sind bessere Voraussetzungen auch für ein ernstes Gespräch als Aussichtslosigkeit und Bitterkeit.*

Schon das äuhere Kleid des Büchleins („Kirche und Staat in Oesterreich', im Selbstverlog des Sekretariates der österreichischen Bischofskonferenz Wien, Druck „Herold“, Wien VIII, 80 Seilen) mag deutlich seine Absicht sichtbar machen: Auf rot-weih-rofem Grunde erhebt sich die schlanke Silhouette des Sfephansturmes, noch in der technischen Hülle des Resfaurationsgerüstes nicht den Feiertag der Vollendung, sondern den harten Arbeilsalltag des Aufbaues kündend ...

Unfertig, unbefriedigend und nach allen Seiten hin nach Ordnung und Ausbau rufend liegt auch das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Oesterreich da.

Da fehlt immer noch das herzhafte Bekenntnis des Sfaates zu dem 1933 rechtsgültig und verbindlich zustande gekommenen Konkordat, an dessen Gültigkeit die Kirche auch heute noch festhalten muh. Die rechtliche (völkerrechtliche) Lage, das Beispiel Deutschlands und Italiens und konkludente Handlungen der österreichischen Bundesregierung beziehungsweise einzelner Ministerien lassen hierüber bei allen Redlichen kaum einen ernsthaften Zweifel aufkommen; dazu kommt noch aus letzter Zeit ein unmißverständlicher Hinweis im Staatsverfrag, indem die logische Konsequenz einer etwa rechtlich wirksamen Annexion Oesterreichs durch das Deutsche Reich: die Teilnahme am Krieg und damit eine „gewisse Verantwortlichkeit“ aus der Präambel gestrichen wurde. Es wird zwar noch von der gewaltsamen (nicht einer rechtswirksamen) Annexion gesprochen, aber ausdrücklich der Wunsch von 1943 vermerkt, Oesterreich als einen freien und unabhängigen Staat wiederherzustellen. — Die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre wird freilich auf beiden Seiten Wünsche nach Aenderung einzelner Bestimmungen laut werden lassen. „Ich bin überzeugt“, meint Erzbischof Dr. Jachym, „der andere Vertragspartner, der Apostolische Stuhl, würde über jeden derartigen Wunsch zu sprechen und zu verhandeln bereit sein. Aber die Bundesregierung mühte eben in der vorgesehenen Weise sprechen wollen.*

Auf dem Gebiet der Ehe wird noch zehn Jahre nach Beendigung des nationalsozialistischen Regimes eine beispiellose, aus Gehässigkeif gegenüber der Kirche gesetzte Gewalttat fortgesetzt. Hier erscheint ein Doppeltes vordringlich: „Reform der Ehescheidung im Sinne einer Eindämmung der vielen und leichtsinnigen Möglichkeiten, zum Schutze der Frauen und Kinder und im Interesse, wie wir meinen, des Staates selbst, und Reform der Eheschließung' im Sinne der fakultativen Eheschließung. Der Entwurf Dr. Tschadeks beziehungsweise der aus ihm abgeleitete, bis heute unerledigt gebliebene Initiativantrag der OeVP vom 21. Mai 1953 könnten eine brauchbare Grundlage für neue Verhandlungen bieten.

Auf dem Gebiete der Schule muß die Kirche auf der Forderung nach dem Religionsunterricht als Pflichfgegensfand ohne Vorbehalte und der Erhaltungspflicht der katholischen Privatschulen durch Staat, Länder und Gemeinden im Verhältnis zur Schülerzahl bestehen.

Absehließend erinnert die Schriff noch an die vermögensrechtliche Schädigung der Kirche durch das Kirchenbeilragsgesetz, die Ausleerung des Religionsfonds und die steuerlichen Härten (Erbschaftssteuer und Nichtabsefzbarkeit der Kirchensteuern und Spenden für kirchliche und karitative Zwecke) und mündet in dem dringlichen Appell, altes Unrecht gutzumachen und ein würdiges, rechtlich klares und geordnetes Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Oesterreich herzustellen.

Mif Genugtuung sei vermerkt, daß die bedeutende Publikation an 19 Stellen des Texfes und des Literaturverzeichnisses Veröffentlichungen der „Furche“ beziehungsweise ihrer Autoren Arnold, Fifzer, Funder, Hochleitner, Haslinger, Hurdes, Jachym, Lorenz, Paunovic, Plöchl, Stanka, Weismann u. a. heranzieht. Wir leiten daraus die Verpflichtung ab, dem Thema auch künftighin unser besonderes Augenmerk zu schenken. rh.

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