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Österreichs Rolle im Spiegel der serbischen Geschichte

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Das ist, kurz Umrissen, der Anteil des alten Oesterreich an der kulturellen Entwicklung des serbischen Volkes und zum guten Teil auch jener Volksgruppen, die außerhalb der Monarchie wohnten. Mit dankbarer Freude haben die Bewohner der „Militärgrenze“ der alten Monarchie gedient, bis in unser Jahrhundert herauf schenkten sie der kaiserlichen Armee tüchtige Soldaten und bedeutende militärische Führer. Auch der junge serbisdre Staat selbst konnte sich deshalb gegenüber

Oesterreich-Ungarn, ohne es als Demütigung zu empfinden, aus seiner Existenz heraus verpflichtet fühlen. Es war ja auch. Oesterreich, das durch sein Einschreiten bei der Pforte die Befreiung Serbiens von den letzten Merkmalen jahrhundertelanger Türkenherrschaft, mit der Räumung der Festung Belgrad und dem am 24. April 1867 erfolgten Abzug der letzten türkischen Besatzungstruppen aus Serbien erreichte. Und auf dem Berliner Kongreß durfte vor allem Oesterreich-Ungarn für sich den Erfolg in Anspruch nehmen, daß Serbien aus seiner Stellung als halbsouveräner Staat zur vollen Unabhängigkeit aufsteigen und die Städte Nisch, Pirot und Vranja zugesprochen erhielt, die Rußland für das neugeschaffene Bulgarien verlangte. Es war auch Oesterreich-Ungarn, das durch seinen Gesandten Khevenhüller im bulgarischen Hauptquartier zu Pirot 1885 den siegreichen bulgarischen Truppen auf ihrem Vormarsch auf Belgrad ein Halt gebot, und Serbien, obwohl sein König Milan den Krieg gegen Bulgarien entgegen dem Willen der Monarchie begonnen hatte, vor einer Niederlage rettete, die seine staatliche Existenz bei dem damaligen politischen Zustand Serbiens bedrohen mußte. Als König Milan sich mit dem Plan, abzudanken, trug, und die Abtretung seines Königreiches an Oesterreich-Ungarn zur Grundlage eines finanziellen Abkommens mit Wien zu machen gedachte, machte ihm am 8. Juni 1885 der k. u. k. Minister des Aeußeren Graf Kalnoky in einer Unterredung sehr bestimmt darauf aufmerksam, daß er seine Kombination auf einer ganz irrigen „Supposition“ aufbaue. „Der König nehme nämlich an“, stellt Kalnoky in seiner Aufzeichnung über den Verlauf der Besprechung fest (Wien, Juni 1885, Akt des Staatsarchivs), „daß Oesterreich-Ungarn die Einverleibung Serbiens in die Monarchie anstrebe; dieses Ziel, das das geheime Bestreben unserer Politik ausmache und er (Milan) also, indem er uns die Besitznahme seines Landes antrage, Anspruch auf unseren unbegrenzten Dank habe. Diese Auffassung“, fährt Kalnoky fort, „muß ich kategorisch zurückweisen. Nicht nur ich persönlich, wie der König insinuiere, denke nicht daran, die Annexion Serbiens als ein früher oder später zu erreichendes Ziel unserer Balkanpolitik anzusehen, sondern keiner der maßgebenden Faktoren, keine politische Partei in dieser oder jener Reichshälfte denke auch nur d a r a n.“

Das war eine Feststellung von unzweideutiger Klarheit. Trotzdem hielt die großserbische Propaganda an der Behauptung fest, daß Oesterreich-Ungarn die Freiheit und den Bestand Serbiens bedrohe, des serbischen „Piemonts“, „an das sich die Zukunftshoffnungen aller Serben knüpfen müssen“. Seit ihren Anfängen stellte die großserbische Bewegung in das Zentrum ihrer politischen Lehre das Dogma: Oesterreich-

Ungarn ist der Feind, der vernichtet werden muß! Die Lehre mußte ein System gefährlich machen, das auf einem solchen Gewaltprinzip aufbaute. J a, diese Lehre führte zu dem 2 8. Juni 1914.

(Die folgenden Aufsätze werden versuchen, die Ursachen und die Folgen der großen europäischen Tragödie unseres Jahrhunderts aufzuzeigen.)

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