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„Eine realistische Linie“

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„Das unterzeichnete... Abkommen zwischen Polen und der Bundesrepublik schafft jedoch nur den allgemeinen Rahmen für die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen bis 1974, ohne von vornherein seine volle Reichweite zu definieren. Daher wird man sich erst an Hand der Handels- und Wirtschaftspraxis von der konkreten Entwicklungsrichtung überzeugen können, inwiefern sie wirkliche Fortschritte in den gegenseitigen Beziehungen zeitigen und welche konkreten Früchte sie bringen wird. Die Praxis wird erweisen, welche Haltung die Bundesrepublik und die westdeutsche Industrie auf dem Boden einer solchen Zusammenarbeit an den Tag legen werden.“

„Es kann für niemanden einem Zweifel unterliegen, daß im Schöße der christlichdemokratischen Oppositionen in Bonn ein Prozeß abläuft, der vielleicht noch nicht abgeschlossen, aber auf jeden Fall eine Tatsache ist, in dessen Verlauf die Anschauungen dieser Partei über die Frage der Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den sozialistischen Ländern — vor allem aber mit der Sowjetunion und Polen — und über die Grundlagen und Bedingungen einer solchen Normalisierung einer Umwertung unterzogen werden. Dies wird vor allem dann augenscheinlich, wenn man den Ton und den Charakter der christlichdemokratischen Äußerungen in allen diesen Fragen aus der Zeit der Wahlkampagne vor knapp einem Jahr und aus einer späteren Zeit vergleicht, und zwar sowohl aus der Zeit, da Brandt und seine Mannschaft die Umrisse ihres Programmes formulierten, als auch aus der Zeit, da sie an die Verwirklichung ihrer Zielsetzungen herantraten.

Damals, daran sei erinnert, hatten wir es mit einer einheitlichen und eindeutigen Haltung der Ablehnung und der Reserve gegenüber den Äußerungen und dem Vorgehen der Willy-Brandt-Regierung zu tun. Gegenwärtig... sind Mäßigung und Gemessenheit und — was besonders wesentlich ist — deutliche Bemühungen zu verzeichnen, eine generelle Ablehnung dessen zu vermeiden, was Brandt und seine Mannschaft unternehmen...

Dieser Prozeß verläuft unter den Führern der um sie gescharten Gruppen auf eine unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Intensität. Er findet jedoch — wenn auch uneinheitlich — einen konkreten Ausdruck und steckt den allgemeinen Entwicklungstrend dieser Partei ab. Sie hegt weiterhin verschiedene Einwände gegenüber dem, was Brandt unternimmt. Sie hat unterschiedliche Auffassungen darüber, welches Tempo die Umgestaltungen auf der Linie Bundesrepublik — sozialistische Länder, welche Reichweite die erarbeiteten Lösungen, welche Gestalt die angewandten oder erörterten Formeln haben könnten, die sich auf alle diese Erscheinungen beziehen. Aber auch dort faßt nach und nach die Erkenntnis der Notwendigkeit einer realistischeren Linie Fuß.

Die CDU/CSU begann einerseits die Unabänderlichkeit bestimmter in Europa vor sich gehender Prozesse zu erkennen, die sich durch Tendenz charakterisieren, Formeln für die Entspannung und Vertiefung... einer vollen Normalisierung und Zusammenarbeit zu entwickeln. Und dies alles auf der Basis... des

Status quo der Grenzen ... Sie begannen sich schließlich Rechenschaft darüber abzulegen, daß die Politik der .Öffnung zum Osten'... eine günstige Chance schafft, eine bessere Position in der europäischen Gemeinschaft zu erringen, die sich gegenüber den anderen westlichen Staaten durch eine größere Selbständigkeit kennzeichnet.“

„In dem Kommunique über die Koordinierung der Pläne zwischen

Polen und der DDR wird auf die Rolle hingewiesen, die die Begegnungen zwischen den Führern unserer beiden Länder dabei gespielt haben. Diese Rolle war in der Tat beachtlich, was von den erzielten Ergebnissen unterstrichen wird. Dabei verdient der Gedanke hervorgehoben zu werden, den Wladyslaw Gomulka vor einem Jahr in Berlin über die Interdependenz der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen äußerte: Ohne gute und aufstrebende ökonomische Beziehungen kann es keine guten politischen Beziehungen geben. Die Praxis der Beziehungen zwischen Polen und der DDR ist eine Bestätigung dafür.“

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