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KARL ARNOLD / EIN TAPFERER SCHWABE

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Mitten im Wahlkampf, der soeben der CDU einen neuen großen Erfolg brachte, starb am 29. Juni 195 in Düsseldorf Karl Arnoltl. Deutschland und die freie Welt haben durch diesen plötzlichen Todesfall einen schweren Verlust erlitten. Karl Arnolds Herz wurde nicht zuletzt gebrochen durch die schweren Auseinandersetzungen und Widerstände, die ihm in der Partei entgegentraten, die er 1945 mitbegründet hatte: der CDU. — Arnold wurde am 21. März 1901 in Herrlishöfen bei Biberach in Württemberg geboren. Dem jungen Lederarbeiter ermöglicht der spätere Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, der dann 1921 von Nationalisten ermordet wird, sich an der Sozialen Hochschule in München fortzubilden. 1920 wird Arnold in der christlichen Arbeiterbewegung aktiv. Als Kartellsekretär bei den Christlichen Gewerkschaften in Düsseldorf hat er reiche Gelegenheit, sich mit Sozialpolitik vertraut zu machen. — Man nennt, wenn man Westdeutschlands Aufstieg nach dem zweiten Weltkrieg charakterisieren will, die Namen Adenauer, Erhard, Schäffer. Arnold, dem ein Hauptverdienst um den deutschen Wiederaufbau zukommt, wird nicht genannt. Dieser Mann nämlich verstand es, im schwerstbelasteten und lebenswichtigsten Kernraum der Bundesrepublik, im Industrieraum an Rhein und Ruhr, in den entscheidenden kritischen Jahren alle inneren Spannungen zu überwinden und schärfste Gegensätze immer wieder auszugleichen. Neun schwere Jahre, vom 17. Juni 1947 an, war Karl Arnold Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, daiu noch zeitweise deutscher Vertreter für Ruhrfragen in den harten Verhandlungen mit den westlichen Alliierten. 1949/50 wurde er zudem noch erster Bundesratspräsident. Arnolds große Anliegen, für die er bis zuletzt kämpfte, waren: eine Sozialpolitik aus christlichem Gewissen, die Sicherung der Arbeit und des Arbeitsfriedens. Eben deshalb lehnte er 1945 die Wiederbegründung von christlichen Gewerkschaften ab, und versuchte, in der CDU ein sozialreformerisches Programm durchzusetzen. Das „Ahlener Programm“ und der Bochumer Katholikentag 1950 standen im Zeichen dieser christlichsozialen Reformbewegung. Mit dem raschen wirtschaftlichen Erholungsprozeß, den nicht zuletzt Karl Arnold gesichert hatte durch die Innenpolitik in seinem Lande Nordrhein-Westfalen, kamen jedoch sehr bald Kreise und Gruppen zur Macht, denen Arnolds sozialpolitischer Weg sehr unbequem war. Auf dem Hamburger Parteitag der CDU 1956 wurde sang- und klanglos das Ahlener Programm begraben. Den schwersten inneren Schlag hatte Arnold aber bereits zuvor, 1954 erlitten, als er wider seine beste Ueberzeugung sich Bonn beugte, die „Große Koalition“ mit den Sozialdemokraten aufgab, und eine Regierung mit der EDP bildete. Die innenpolitischen Kämpfe im heutigen Westdeutschland zeigen, wie anders die Entwicklung hätte laufen können, wäre die zweitstärkste deutsche Partei damals nicht in jene Radikalisierung gedrängt worden, die Arnold auf jeden Fall vermeiden wollte. 1956 wurde ihm zudem eine Rechnung präsentiert, die, wie offen eingestanden wurde, an eine andere Adresse in Bonn gedacht war. Die SPD stürzte im Bunde mit den jungen Rtbellen der FDP den Mann, der alles getan hatte, um sie in der Mitregierung und Mitverantwortung zu halten. Seither war es still um ihn geworden. Da jedoch gewisse Kreise in seiner Partei sein Wiederkommen, zeitweise sogar als künftigen Bundeskanzler und Spitzenmann der CDU, fürchteten, war dieser Mann bis zu seinem letzten Lebenstag von Hornissen umgeben. Menschen, die 'hm viel verdankten, spannen böse Intrigen, andere, mit denen er nie Auseinandersetzungen gehabt hatte, schlössen sich an. Bekannt wurde da sein Wort: „Warum eigentlich der? Ich habe ihm doch gar nichts Gutes getan!“ - Der Tod Karl Arnolds, der sich aufrieb im Dienste seines Volkes, seiner Ueberzewuiig, und nicht zuletzt seiner Partei, der er bis zuletzt die Treue hielt, stellt eine ernste Gewissensfrage an die Politiker und Interessenverbände nicht nur der Deutschen Bundesrepublik: können wir es uns weiterhin leisten, beste, charakterlich wertvollste Menschen so zu verschleißen, in so unguter Weise zu verbrauchen, wie da diesen Sohn des schwäbischen Landes, der, unbedankt und viel verkannt, eine riesige Last auf sich nahm und sie trug, bis man ihn fri'U, allzuf.üh ins Grab legte? — Die Zukunft wird zeigen, ob die Lüche, die da cerisse“ wurde, gefüllt wird, ob der Appell, den dieser Todesfall darstellt, verstanden wird.

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