6583983-1951_34_09.jpg
Digital In Arbeit

Randhemerkungen zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

BAYREUTH UND SALZBURG sind voneinander nicht sehr weit entfernt. Und da sich nicht nur die Dinge, sondern auch die Interessen bisweilen hart im Räume stoßen, gab es vor Jahren, zwischen den Festspielen hier und den Festspielen dort, einen wenn auch nicht eben häßlichen, so doch beharrlichen Konkurrenzkampf, dessen tiefere Gründe freilich nicht in der Stil-ungleichheit von Mozart und Richard Wagner oder gar in nationalen Gegensätzen zu suchen, sondern durchaus — nun, sagen wir: fremdenverkehrstechnischer Natur waren. Aber das ist schon lange her; nach dem zweiten Weltkrieg herrschte zwischen Salzburg und Bayreuth fünf Jahre lang das beste Einvernehmen, und zwar vor allem deshalb, weil es noch keine Bayreuther Festspiele gab. Jetzt aber sind wieder in Bayreuth und in Salzburg gleichzeitig die Tore der Festspielhäuser geöffnet worden und die In- und Aulandspresse findet wie eh und je, daß die künstlerischen Genüsse in Salzburg beispiellos seien, und sie findet, daß die künstlerischen Genüsse in Bayreuth ebenfalls beispiellos seien. Weshalb denn auch alles in schönster Ordnung sein könnte, wenn nicht einige sehr schätzenswerte westdeutsche Zeitungen — die Münchner „Süddeutsche Zeitung“ zum Beispiel — entdeckten, daß die „Salzburger Glorie nicht ganz wie in alten Tagen“ sei, daß das Publikum sich weniger aus den „Musischen aus aller Welt“~ rekrutiere, sondern aus Leuten, die auf die Anmeldescheine hinter ihre Namen „Indust.“ oder „Kfm.“ schreiben. Mit der Eleganz sei es vorbei: „Salzburg hat es schwer, viel schwerer als früher. .. die Idee hat an Einmaligkeit verloren. Es fehlt die geistige Elite, es gibt wenig Prominenz... Salzburg ist allgemeiner geworden“. Und die „Rheinpfalz“ stößt in dasselbe Horn: „Größte Enttäuschung sind aber die Besucherzahlen für die diesjährigen Salzburger Festspiele (?). Für den zahlungsstarken Überseegast ist es diesmal eben lockender, nach Bayreuth zu fahren ...“ Aha. Und nun müßte eigentlich von Österreich „zurückgeschossen“ werden, wie das im Journalistenslang so hübsch heißt? Nein. Nach wie vor sind Bayreuth und Salzburg, jedes von ihnen, beispiellos. Laßt uns nicht die alten Konkurrenzstreitigkeiten neu aufwärmen! Freuen wir uns, daß unter den Salzburger Besucherzahlen die westdeutschen an erster Stelle stehen, daß ein deutscher Regisseur und deutsche Schauspieler an zwei der schönsten Aufführungen unserer Festspiele hervorragenden Anteil haben, daß Wiener Sänger in Bayreuth singen, freuen wir uns über Salzburg und Bayreuth. Fruchtbare Kritik an Salzburg aber wird hier gerne entgegengenommen. Wenn die Korrespondentin der „Süddeutschen“ nach ihrem zitierten Vergleich schreibt, daß man in Salzburg wagen müsse, moderner zu sein, nicht nur Tradition zu bieten, sondern ein Forum für das geistige Schaffen Europas zu sein, so bietet sich hier Gelegenheit zu einer Diskussion, der „fremdenverkehrstechnische Interessen“ fremd bleiben können ... #

DAS NORMALPORTRÄT DES „CEVAU-ERS“, des Angehörigen der katholischen Studentenverbindungen Österreichs, stand bisher in den Augen der Leser des Zentralorgans der Sozialisten fest. Kleine Sätzchen, größere Hinweise und an besonderen Hochfesten der Politik sogar gewachsene Leitaufsätze hatten liebevoll und oftmals an dem Konterfei gepinselt, einmal da, einmal dort noch ein Lichtlein oder einen Stnatten aufgesetzt, heute nach Protektion oder Korruption, gestern nach Feigheit oder Rauflust hin; die Grundfarben aber bildeten doch bis vor kurzem die verfaßten Dreifarben des bunten Bandes, in einigen Fällen sogar spezifiziert auf diese oder jene mit Namen genannte Verbindung. Das hat sich nun'mit einem Schlage geändert. Das genannte Organ hat dieser Tage mit einer neuen Begriffsbestimmung des einheimischen Cevauers aufgewartet, die, wenn sie ernst genommen würde, die Leser über Nacht zum Umlernen zwingen müßte. Der Anlaß war eine pressegesetzliche Entgegnung des Cartellverbandes auf die Behauptung des Blattes, daß diese und jene bestimmten Persönlichkeiten des öffentlichen Wirkens Cevauer im oberwähnten Sinne seien. Das Blatt druckte die Entgegnung vorschriftsmäßig ab, konnte sich aber doch nicht versagen, noch ein Schwänzchen anzuhängen, in dem es nun wahrhaftig überraschend hieß: „Unter einem Cevauer versteht man in Österreich einen betont katholischen Intellektuellen; ob jemand tatsächlich einer dem CV. angeschlossenen Studentenverbindung angehört hat, ist dabei eine belanglose Formal frag e.“ Das kommt nun wahrhaftig unvermutet: für die betont katholischen Intellektuellen, die plötzlich und ohne weitere Formalitäten samt und sonders die Ur- und Ehrenmit-

gliedschaft einer Verbindung des Cartell-verbandes erwerben, für den CV selbst, dessen Mitgliederanzahl sich über Nacht in besorgniserregender Weise vervielfacht, und nicht zuletzt für die Leser des sozialistischen Blattes selber, die sich nun mit einem Male nicht mehr bloß im Gegensatz zu einer heimtückischen Staat-im-Staate-Clique, wie es bisher geklungen hat, sondern, wie es nunmehr ex cathedra verkündet wird, zur gesamten Front jener Österreicher gestellt sehen sollen, die sich schlicht und einfach als katholische Intellektuelle bekennen. Tausende österreichische Arbeiter, denen katholisches Bildungs-, Kunst-und Gedankengut kein rotes Tuch bedeuten, werden sich in einer so schiefen Kampfstellung ganz und gar nicht wohl fühlen und ihrem Sprecher für seine rezitive Kampfformel wenig Dank wissen.

DER OBLIGATORISCHE SLOWENISCH-UNTERR1CHT an allen Pflichtschulen der Kärntner Abstimmungszonen A und B ist zur Zeit Gegenstand lebhafter Diskussionen. Es handelt sich hier um ein Problem von so vielfältigen Aspekten, daß seine Behandlung Umsicht und Bedachtsamkeit erfordert. Die Schulverfügung wurde durch eine Verordnung der Kärntner Landesregierung im Jahre 1945 getroffen, zu einem Zeitpunkt also, da die forcierte sowjetische Unterstützung der jugoslawischen Grenzforderungen eine erhöhte Rücksichtnahme auf dem Gebiete der Minderheitengesetzgebung nahelegte. Die ganze Schwere der damaligen internationalen Problematik ist aus der Schaffung des Triester Freistaates und aus dessen knapper Grenzziehung ja noch heute abzulesen. Es werden nun gegen die erwähnte Unterrichtsanordnung von verschiedenen Seiten nicht unerhebliche Einwände ins Treffen gejührt. Die Verordnung, sagen ihre Gegner, widerstreitet durch ihren Zwangscharakter dem Wahlrechte der Eltern, einem Recht, dessen Einschränkung oder Verletzung ja auch tatsächlich, vom christlichen und demokratischen Standpunkt aus, stets Bedenken erregen muß. Ferner seien die Unterschiede zwischen der Südkärntner „windischen“ Umgangssprache und der slowenischen Schriftsprache sehr beträchtlich. Für die große deutschsprachige Majorität des Kärntner Grenzgebietes ist es gewiß ein beachtlicher Vorteil, wenn sie die Sprache des Nachbarlandes beherrscht. Sie ermöglicht ihr, im kulturellen und wirtschaftlichen Verkehr mit diesem eine Stellung zu gewinnen, die dem Nichtkenner der Landessprache meist versagt bleibt. Manche im letzten Menschenalter verlorene altösterreichische Position ließe sich dadurch zum Vorteil des eigenen Kulturschaffens und der eigenen Wirtschaft allmählich wiedergewinnen. Schließlich aber ist zu erwägen, ob die Änderung des gegenwärtigen Zustande so drängt, daß sie in einem Zeitpunkt geschehen soll, da die an einem bedauerlich großen Teil unserer Grenzen vergleichsweise bestehende „ma-laise“ an einem sehr wichtigen Punkt einem freundlichen Einvernehmen gewichen itt. ,

WAS IN UNGARN GESCHIEHT, ist in jeder anderen Volksdemokratie ebensogut möglich. Den Nachrichten über Deportie-rungen bestimmter Bevölkerungsgruppen aus Budapest folgen jetzt Meldungen über ähnliche Vorgänge in verschiedenen Städten der deutschen Ostzone und auch aus Polen kommen sie. Hier haben sich. Wie das Krakauer kommunistische Blatt schrieb, „kriminelle Elemente das Recht erwirkt, in den großen Städten, wo schöpferische Arbeit geleistet wird, zu wohnen“. Was heute an der Weichsel und am Bug unter kriminellen Elementen verstanden wird, darüber gibt die vor kurzem erfolgte Einstufung der polnischen Bevölkerung nach ihrer Nützlichkeit und Verläßlichkeit für das Regime in fünf Gruppen Auskunft. Gruppe 1 ist den Aktivisten der kommunistischen Partei vorbehalten In Gruppe II finden die einfachen Parteimitglieder Eingang. Der Gruppe III werden die staatliclien Funktionäre und die Angestellten der öffentlichen Betriebe zugezählt. In die Gruppe IV können sich die sogenannten „loyalen Staatsbürger“ eingeteilt wissen. Die neue Pariaklasse aber ist die Gruppe V. Nach der amtlichen Einstufung sind ihr „Ausbeuter, Volksfeinde, katholische Priester, Mönche, Ordensschwestern, westlich gesinnte Protestanten, Altkatholiken, religiös eingestellte Juden, Anhänger von General .Anders und Mikolajczik“ zuzuzählen. — Menschen ohne Heim und Obdach, herumirrend auf Landstraßen, angewiesen auf das Mitleid ihrer Landsleute: gestern in Ungarn, heute in Ostdeutschland und Polen, morgen in irgendeinem anderen Satellitenstaat. Man erkennt den starken Arm, der die Fäden zieht...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung