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Schlagwetter in Asturien

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2594 „Arbeitskonflikte“, also schlicht Streiks, waren laut offiziellen Angaben von 1963 bis einschließlich 1968 in Spanien zu verzeichnen. Die am stärksten bestreikte Provinz ist Oviedo mit dem asturischen Kohlenbecken. Nach Produktionszweigen geordnet, stand 1968 der Bergbau mit 145 Streiks, die 41,3 Prozent der Gesamtausstände ausmachten, an der Spitze.

In diesem Jahr scheint Oviedo wiederum den nationalen Streikrekord aufzustellen. Seit mehr als einem Monat liegen 50 bis 75 Prozent der asturischen Gruben still. Teils werden sie von den Bergarbeitern bestreikt, teils sind sie als Strafmaßnahme gegen die Streikenden von dem staatseigenen Unternehmen HUNOSA gesperrt. Für die betroffenen Bergarbeiter bedeutet die Aussperrung Lohneinbuße und Benutzungsverbot der betriebseigenen Konsumvereine. Neben der Aussperrung, die zwar nicht gesetzlich gebilligt ist, trotzdem aber angewendet wird, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Streikenden fristlos zu entlassen. Außerdem ist der Streik in Spanien illegal — und wird es nach Verabschiedung des hart umstrittenen und als Entwurf im Parlament vorliegenden neuen Gewerkschaftsgesetzes bleiben — und kann deshalb laut Artikel 222 des Strafgesetzbuches geahndet werden.

Polltische Gründe zweitrangig

Warum also, so muß man sich fragen, nehmen die asturischen Bergleute diese wirtschaftlichen und die persönliche Freiheit aufs Spiel setzenden Gefahren auf sich? Sind es

die illegalen Gewerkschaften U. G. T. (sozialistisch), U. S. O. (katholisch) das im Oktober neugegründete „Komitee der Arbeitersolidarität“, in dem sich diese Gewerkschaften mit der C. N. T. und der ebenfalls neuen, revolutionären C. R A. S. zusammenschließen, ist es der unter den Kumpels traditionell starke Einfluß der Kommunisten und der Anarchisten, der sie dazu veranlaßt? Dagegen spricht zum einen die Tatsache, daß sich in diesem Jahr die asturische Streikbewegung ohne jegliche Unruhen und Manifestationen abspielte, und zum anderen, daß die Polizei nur dreißig Festnahmen vorgenommen hat, von denen bloß sechs Personen als „Agitatoren“ angeklagt werden dürften. 1964 und 1965, während der großen Streiks der Bergarbeiter, kam es bekanntlich zu Zusammenstößen, Massenverhaftungen und Deportationen. Der politische Aspekt hat diesesmal also offensichtlich nur zweitrangige Bedeutung.

Harte Hirtenworte

Viel einleuchtender sind die wirtschaftlichen Beweggründe, die allerdings kaum an das Licht der Öffentlichkeit gedrungen sind. Aus der spanischen Presse war nur zu erfahren, daß der Streik wegen der zu niedrigen Weihnachtsgratifikationen entstanden ist. Die Kumpels haben weder Lohn- noch sonstige Forderungen vorgebracht. Es klingt wenig überzeugend, daß sie wegen einer verhältnismäßig geringen Summe einen Lohnausfall von — bisher — fünf Wochen auf sich nehmen und daß der neueingesetzte Bischof von

Oviedo, Mgr. Diaz Merchän, sich in einer Pastorale wegen einer Lappalie auf ihre Seite stellt, das Verhalten der Behörden und der Polizei kritisiert und unter Hinweis auf die Enzyklika „Pacem in terris“ für unabhängige Gewerkschaften eintritt. Die wirtschaftlichen Beweggründe hinter diesem und auch den vorangegangenen Streiks von Asturien sind nichts Geringeres als die industrielle Umformung des gesamten Landesteils, die die stufenweise Schließung der staatlicherseits als unrentabel bezeichneten Gruben vorsieht. Dies bedeutet nicht nur völlige wirtschaftliche Unsicherheit für 33.000 Bergarbeiterfamilien, sondern auch der Handel- und Gewerbetreibenden Asturiens, deren Umsätze durch den sich auf den Streiks ergebenden Kaufkraftschwund der Arbeiter ohnehin empfindlich zurückgegangen sind. Die Einheitsgewerkschaft, über die diese Probleme geregelt werden müßten, ist machtlos. Die Bergleute lehnen sie ab. Nicht einmal die nach der soeben durchgeführten Auftauung der seit zwei Jahren eingefrorenen Löhne fällig gewordenen Kollektiwerhandlungen wollen sie über die Gewerkschaft durchführen, sondern verlangen, daß von den Bergleuten direkt gewählte Vertreter mit den Unternehmen Unterhandlungen aufnehmen. Die Krankheit, an der der asturische Bergbau leidet, ist also nur äußerst schwer zu heilen. Sie wird immer wieder in Streiks aufbrechen. Wie ein Wechselfleber, dessen Ende nicht abzusehen ist, weil es mit unwirksamen Mitteln behandelt wird.

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