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Seine Magnifizenz

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Das Auf und Ab in den Volksdemokratien, das der westliche Beobachter an sich schon gewohnt sein sollte, kann immer noch Sensationen bringen. So meldet das über die Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang meist gut informierte Zürcher „Israelitische Wochenblatt“ über die Entstalinisierung in Prag u. a.:

,Dr. Goldstücker, der frühere Gesandte in Israel, der bei seiner Rückkehr nach Prag verhaftet und dann verurteilt wurde, ist für den Posten als Rektor der tschechischen Universität in Prag und als Professor für internationales Recht vorgesehen.“

Wer ist dieser Dr. Goldstücker? Goldstücker, kommunistischer Emigrant in England seit 1939, •machte während des Krieges innerhalb der tschechoslowakischen Emigration als Völkerrechts-ken'ner auf sich' aufmerksam und war sogar einige Zeit als Privatdozent in Oxford tätig. Er wurde dann in den Dienst der Exilregierung Beneschs aufgenommen, war nach der Befreiung Frankreichs Kulturattache an der tschechoslowakischen Botschaft in Paris, dann in London und wurde später nach Etablierung des kommunistischen Regimes in Prag und der Ausrufung des Staates Israel tschechoslowakischer Gesandter in Tel Aviv. Im Jahre 1951 wurde ihm mitgeteilt, daß er zum tschechoslowakischen Gesandten in Stockholm ernannt sei: in Stockholm erwartete man ihn jedoch vergebens, da er auf der Durchreise durch Prag verhaftet und im Nachverfahren zum Slänsky-Clementis-Prozeß zu 2 5 Jahren Kerker verurteilt wurde.

Goldstücker wurde am 20. November 1952 im Rahmen des Slänsky-Prozesses öffentlich einvernommen. Laut dem vom Prager Justizministerium 195 3 herausgegebenen Dokumentarproto-koll des Prozesses heißt es da unter anderem: Vorsitzender: Sie waren auch ein Mitglied des Verschwörerzentrums, das von Rudolf Slänsky geführt wurde? Goldstücker: Ja.

Vorsitzender: Führen Sie an, worin Ihre Spionagetätigkeit bestanden hat.

Goldftücker: Seit dem Jahre 1947 habe ich die Spionageverbindung mit dem britischen Agenten des Intelligence Service Konni Zilliacus und dem Leiter des staatsfeindlichen Spionagezentrums Rudolf Slänsky sowie mit seinem engen Mitarbeiter Bedrich Geminder vermittelt. Zu dieser Spionagetätigkeit bekam ich den direkten Auftrag von Rudolf Slänsky. (Geminder ist ebenso wie Slänsk hingerichtet worden. Anm. d. Red.)

Vorsitzender: Wann und auf welche Weise hat Slänsky Sie für diese feindliche Zusammenarbeit gewonnen?

Goldstücker: Zu Beginn 1946. Damals gab mir Slänsky in einem Gespräch zu verstehen, daß er über mich informiert sei, daß er meine Vergangenheit, meine jüdische bürgerliche Herkunft und zionistische Orientierung, meine ausgedehnten Beziehungen zu verschiedenen feindlichen Elementen im Westen und parteifeindlichen Gruppen kenne ... Nach der Information, die Slänsky mir im Dezember 1947 gab, traf ich mich oft mit Zilliacus und informierte ihn über verschiedene staatliche Angelegenheiten der Tschechoslowakei, die im Interesse der Republik hätten geheim bleiben sollen ... Im August 1949 sagte mir Slänsky, daß ich deshalb die Funktion eines Gesandten in Israel erhalte, weil ich mich in England bewährt und nach seinen Weisungen gut gearbeitet habe... Im Gespräch forderte mich Slänsky weiter auf, in Israel ähnliche Verbindungen anzuknüpfen wie in London und viele Berichte zu schicken. Er sprach mit deutlicher Sympathie über Israel, so daß ich aus dem Gespräch entnommen habe, daß er Israel als einen befreundeten Staat betrachtet; er hat überhaupt nichts darüber erwähnt, daß Israel eine Politik nach den Absichten der westlichen Imperialisten durchführt... Ich möchte noch hinzufügen, daß ich schon 1949, als ich nach Prag kam, die Verbindung mit dem israelischen Gesandten in Prag, Ehud Avriel, aufgenommen habe, die dann unter dem Einfluß der Weisungen Slänskys in eine Spionageverbindung hinauslief...

Goldstücker dürfte —' nach diesem seinem .Geständnis“ von 1952 und den inzwischen verbrachten Kerkerjahren — als Professor für internationales Recht und Rektor der Prager Universität eine besonders glückliche Figur machen.

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