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Statistik und Wirtschaft

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Das „österreichische Forschungsinstitut für Wirtschaft und Politik“, eine Gründung privater Initiative, hat sich seit der Aufnahme seiner Tätigkeit in den ersten Monaten dieses Jahres einen angesehenen Platz im wirtschaftlichen und politischen Leben unseres Landes errungen. Seine Publikationen, „Berichte und Informationen“, füllen in unserem periodischen Schrifttum eine wichtige, auch während der Vorkriegszeit nicht besetzte Funktion aus.

Gleich zu Beginn sah sich das Institut Aufgaben gegenüber, die ebenso schwierig schienen, wie ihre Lösung als Voraussetzung einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung notwendig war. Mit Mut und außerordentlichem Geschick wurde das hochzielende Vorhaben angegangen. Es galt vor allem, die wirtschaftlichen Möglichkeiten im neuen Staatsraum abzuschätzen, das vorhandene Potential zu erfassen und die einzelnen industriellen Zweige nachrichtlich in Verbindung zu bringen. Und das gelang in einem erfreulichen Maße. Es wurde ein statistisches Material gesammelt, das gestattete, über die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Struktur der einzelnen Besatzungszonen hinweg einen Überblick über die gesamtösterreichische Lage zu bekommen. Darüber hinauf gewährten die statistischen Unterlagen zu den innen-und außenpolitischen Fragen und deren sachliche Behandlung Einblicke, die die Urteilsbildung auch zu den heiklen Problemen unserer Tage möglich machten.

Eine Übersicht über die Wahlergebnisse in der ersten Republik erinnert daran, daß im Jahre 1930, also nur wenige Jahre vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland, die NSDAP in ganz Österreich nur 99.356 Stimmen, das waren nur drei Prozent der Gesamtv?h!erschaft, auf sich vereinigen konnte. Eine heute noch merkbare

Parteimüdigkeit wird anschaulich, wenn wir erfahren, daß zum Beispiel von 40.973 SPÖ-Wählern im 15. Wiener Gemeindebezirk nur 7261 der Partei als Mitglieder angehörten, im 19. Bezirk waren zur Zeit der Wahl von 14.639 Wählern gar nur 1704 parteimäßig organisiert. In einem Überblick über die Bevölkerungsumschichtungen unserer Zeit wird die Zahl der Menschen, die durch die politischen Ereignisse seit 1939 genötigt waren, ihre Heimat zu verlassen, auf 50 Millionen geschätzt. Zu dieser Zahl führt folgende Rechnung: 400.000 Menschen verließen Deutschland schon vor dem Krieg aus politischen und rassischen Gründen, 600.000 Volksdeutsohe wurden noch vor 1941 nach Deutschland umgesiedelt, 7 Millionen verließen auf der Flucht vor der Front ihre Wohnsitze und etwa 20 Millionen Deutsche flohen aus den bombengefährdeten Städten oder flüchteten vor den nahenden alliierten Truppen in das Landesinnere, 8,500.000 Zwangsarbeiter wurden während des Krieges nach Deutschland gebracht, 8 Millionen Volksdeutsche und eine noch größere Anzahl von Reichsdeutschen mußten ihre Heimstätten nach Beendigung des Krieges verlassen. Rechnet man die Umschichtungen im Fernen Osten mit ein, so rundet sich die Zahl zu der geschätzten ab.

Besondere Aufmerksamkeit widmet das Institut den Wiederaufbauproblemen. Unter anderem wurde die Industriekapazität der einzelnen Bundesländer einer Prüfung unterzogen und die Ergebnisse in Vergleichstabellen übersichtlich geordnet. Aufschlußreiche Übersichten berichten über die jeweilige Lage der einzelnen Industriezweige, schätzen die W;ederaufbaumöglichkeiten und unterziehen die Verkehrsprobleme der Prüfungen.

Das sind nur einige beispielsweise Ausschnitte aus dem bewältigten Arbeitspensum des Instituts. Eine verdienstvolle Leistung, wert aller Anerkennung.

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