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Zu einer Weltorganisation christlicher Sozialarbeit

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In Brüssel wurde dieser Tage die Konferenz der Internationalen Christlichsozialen Vereinigung beendet. Diese Internationale ist aus der Notwendigkeit entstanden, der sozialen Verantwortung der führenden christlichen Kräfte aller Länder auf internationaler Basis zu entsprechen. Diese Internationale will nicht theoretisches Studium der sozialen Frage, sondern soziale Aktion. Sie will alle Möglichkeiten ausschöpfen, um in den offiziellen internationalen Einrichtungen den christlichen Standpunkt zur Geltung zu bringen und strebt deshalb auch danach, alle katholischen Kräfte zu koordinieren.

Die Brüsseler Konferenz erhielt dadurch besondere Bedeutung, daß auf ihrer Tagesordnung die Zusammenarbeit mit den sozialen katholischen Organisationen Amerikas stand. Seit drei Jahren besteht die Föderation katholischer interamerikanischer Organisationen (Confederation Inter-Americaine d’Action Sociale Catholique), die auf dem Kongreß in Havanna 1946 gegründet wurde. Diese interamerikanische Vereinigung verfolgt dieselben Ziele wie die europäische, vor allem strebt sie die zielmäßige Beziehung zwischen den Katholiken der amerikanischen Länder an und die Durchdringung der Völker mit den sozialen Gedanken der Kirche. Die Schwierigkeiten in Amerika sind größere als in Europa, da die Beziehungen zwischen den Katholiken der amerikanischen Länder zu lange an der Oberfläche geblieben sind. Vor allem auch infolge der kulturellen Unterschiede zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika. Man betrachte nur zum Beispiel den Abstand zwischen Kanada mit seiner mächtigen katholischen Aktion und dem von Lateinamerika. Nun ist aber auch jenseits des Ozeans das Problem erkannt. Man ist sich im klaren, daß von der Verbreitung der Lehre, von der Verkündigung der Wahrheit zur Aktion übergegangen werden muß und in diesem Falle Amerika ohne Europa eine unvollkommene

Realität daretellt, der Fortschritt sozialer Arbeit setze sozusagen als erstes eine engere geistige Gemeinschaft zwischen Europa und Amerika voraus. Von solchen Überzeugungen bewegt, zeigt sich die amerikanische Konföderation bereit, den Aufgaben und Zielen der europäischen Vereinigung ihre vorbehaltlose Unterstützung zu leisten. Die erste Berührung mit den amerikanischen Organisationen erfolgte auf dem Kongreß in Rio de Janeiro 1948. Auf diesem wurde mit großem Freimut der Erkenntnis Ausdruck gegeben, daß fester programmatischer Besitz der katholischen sozialen Arbeit in Europa in Amerika vielfach noch Neuland bedeutet. In Rio de Janeiro wurden denn schon die ersten Fäden einer Zusammenarbeit geknüpft. Nunmehr wurde beschlossen, zunächst einen gemeinsamen Ausschuß der europäischen und der amerikanischen Organisationen zu bilden, der einen Weltkongreß für das Heilige Jahr in Rom vorbereiten oll. Er wird voraussichtlich im Mai 1950 stattfinden. Es ist nicht nur an eine lose Zusammenarbeit, sondern an eine Föderation der europäischen und amerikanischen Vereinigung gedacht, welche den regionalen Charakter der beiden Organisationen wahrt.

Es ist naheliegend, welche Bedeutung einer solchen weltweiten Sammlung der Energien zukommt und welche Aufgaben vor allem der europäischen christlichsozialen Vereinigung zufallen. Einem gemeinsamen Exekutivkomitee soll die Durchführung ge meinsamer Aktionen obliegen. Auf der heurigen Brüsseler Konferenz stand im Mittelpunkt der Beratung das Problem der E n t- proletarisierung, das nur international gelöst werden kann. Als Ursachen der Verelendung breitester Volksmassen wurden neben der bisher schon wirkenden rücksichtlosen Industrialisierung und Mechanisierung der Produktion auch jene politischen Maßnahmen bezeichnet, die ein neues Proletariat in Millionenzahlen von Vertriebenn, Verschleppten und Landesflüchtigen geschaffen haben. Für sie werden nicht nur karitative Maßnahmen gefordert, sondern die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, die Rückführung dieser Maischen in eine gesunde gesellschaftliche Ordnung. In den Debatten wurden auch die Wirkungen der fortschreitenden Industrialisierung in den Kolonien geschildert, die neue Massen pro- letarisierter Menschen gebären. Zu dem großen Thema sagt die Resolution der Konfe renz: „Es gilt, dem arbeitenden Mensch e n zu einem menschenwürdigen Dasein zu verhelfen. Wo die Möglichkeit besteht, soll für ihn die Erwerbung von privatem Eigentum gefördert werden. Der soziale Wohnungsbau muß mit durchgreifenden Mitteln weitergeführt und insbesondere die Erwerbung von Eigenheimen erleichtert werden.“ Besonders wurde hervorgehoben, daß das Mitbestimmungsrecht des Arbeiters in Betrieb und Wirtschaft zu fördern sei, das ihn aber auch zur Mitverantwortung verpflichtet. Die Konferenz erblickte in der Bildung und Pflege christlichsozialer Organisationen aller Berufsstände, namentlich der Arbeiter, der erwerbstätigen Frauen und der Arbeiterjugend eine vornehme Verpflichtung christlicher, sozialer Arbeit. Die Brüsseler Konferenz wird auf dem Weltkongreß in Rom gemeinsam mit den interamerikanischen Organisationen ihre Fortsetzung finden.

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