"Da spielt es keine Rolle, wo man ist"

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Vor kurzem saß Peter Probst, 60, noch im Management von Audi. Jetzt führt er mit seiner Frau das Pflegeheim "Mabuhaii" auf den Philippinen. Warum er das Inselarchipel für einen idealen Alterssitz für Demenzkranke hält, erklärt er im Gespräch mit der FURCHE.

FURCHE: Von Deutschland auf die Philippinen, vom Management in den Sozialbereich: Sie haben in jeder Hinsicht einen weiten Weg zurückgelegt

Peter Probst: Schon seit ich vor 30 Jahren das erste Mal auf den Philippinen war, beschloss ich, dass ich meine Pension hier verbringen werde. Alte Menschen haben hier einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Ich wusste, dass ich relativ jung in Rente gehen kann, und auch, dass ich dann nicht einfach in der Sonne liegen möchte. Jahrelang habe ich überlegt, was ich mit der Zeit anstellen kann. Dann habe ich von einem Schweizer erfahren, der in Thailand ein Pflegeheim für Demenzkranke führt. Ich fand die Idee gut, und die Philippinen sind die ideale Destination für so ein Projekt. Vor zwei Jahren sind meine Frau und ich hergezogen und haben losgelegt. Für mich ist dieses Haus aber mehr als ein Investment, ich empfinde meine Arbeit als sinnvoll und erfüllend: Man tut Gutes für die Patienten, die hier wesentlich besser betreut werden als zu Hause. Die Familien sind glücklich, weil sie ihre Angehörigen gut untergebracht wissen, und das zu einem günstigen Preis. Und die Pflegemitarbeiter sind zufrieden, weil sie hier nur einen Patienten betreuen und nicht zehn oder zwanzig, wie anderswo.

FURCHE: Ihr Haus ist spezialisiert auf Alzheimer-und Demenzerkrankte. Warum haben Sie sich die schweren Fälle ausgesucht?

Probst: Weil sie den größten Bedarf an Einrichtungen wie unserer haben. Im "Mabuhaii" gibt es für jeden Patienten vier Krankenpfleger, das könnte bei uns niemand bezahlen. Die Familien der schweren Fälle haben, was Kosten betrifft, den größten Vorteil. Insgesamt sind die niedrigen Kosten aber nicht das einzige Argument. Auf den Philippinen haben Krankenschwestern auch eine erstklassige Ausbildung. Ihr Wesen ist unglaublich freundlich, nicht steif, wie bei vielen Deutschen. Sie haben kein Problem mit Berührungen und Nähe, was für Alzheimer-und Demenzpatienten besonders wichtig ist. Und ältere Menschen genießen einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, im Familienverbund ist die Oma die Chefin FURCHE: Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach die Hemmschwelle, den Partner oder die Eltern in ein Pflegeheim auf einem anderen Kontinent unterzubringen? Probst: Gerade erst hatte ich eine Anfrage von einem Deutschen, dessen Vater nach einem Schlaganfall in einem deutschen Pflegeheim war, wo er miserabel betreut wurde. Jetzt kümmert sich seine Frau um ihn, die mit der Situation auch nicht zurecht kommt. Der Sohn möchte seinen Vater gerne zu uns bringen, seine Mutter ist aber dagegen. Das ist oft so: Einer in der Familie hat die Idee und stößt dann auf Widerstand. Es gibt auch immer wieder Bekannte und Verwandte, die von Abschiebung sprechen. Aber die Familienangehörigen unserer ausländischen Gäste sind voll überzeugt von der Entscheidung. Sie waren ja alle da, haben sich unser Haus angeschaut und kennen auch die Situation in europäischen oder amerikanischen Einrichtungen. Dort werden Patienten wie unsere mit Medikamenten ruhiggestellt, aber niemand kümmert sich um sie. Bei uns ist rund um die Uhr jemand da, der den Menschen wie ein kleines Baby betreut.

FURCHE: Kann man Demenzkranken, die sich in ihrer vertrauten Umgebung nicht mehr zurecht finden, zumuten, in der Fremde zu leben?

Probst: Unser Schweizer Patient ist immer viel gereist, auch auf die Philippinen. Beim Amerikaner ist die Situation anders, er ist schon so schwer erkrankt, dass er kaum noch weiß, wo er ist. Im fortgeschrittenen Stadium der Alzheimer-oder Demenzkrankheit spielt es kaum mehr eine Rolle, wo man ist. Da ist es wichtiger, dass es jemanden gibt, der sich kümmert, einen berührt, einfach da ist.

FURCHE: Aber die Bezugspersonen leben doch in der Heimat?

Probst: Unsere Pfleger ersetzen die Bezugspersonen von zu Hause. Jeder Patient hat immer die selben vier Leute, die bei ihm sind. Unser Haus ist so familiär, jeder kennt die Namen von allen Bewohnern. Außerdem gibt es viel Kontakt zu den Familien im Ausland. Sie kommen auf Besuch oder videotelefonieren übers Internet.

FURCHE: Sind Häuser wie Ihres ein Zukunftsmodell oder eher ein Nischenprodukt?

Probst: Auf den Philippinen gibt es bis zu 400.000 arbeitslose Krankenpfleger mit Spitzenausbildung, während in Europa und den USA die Gruppe der Menschen mit Pflegebedarf wächst. Ein Haus wie unseres bringt allen Seiten Vorteile. An der hohen Nachfrage merke ich, dass es Bedarf gibt. Ich habe große Visionen: Ich möchte das Projekt auf den Philippinen ausbauen und auch an anderen Orten Häuser eröffnen.

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