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Digital In Arbeit

„Eine soziale Ader brauchst Du sicher"

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Ich habe sicher mit sehr viel Idealismus gemeint, die Welt verbessern zu können", kommentiert Sonja Seiler-Baumfeld (39) ihre Berufswahl. Sie ist Sozialarbeiterin in einer Ehe- und Familienberatungsstelle in Vöcklabruck (OÖ). „In der Realität entdeckt man aber sehr schnell, daß sich die Welt nicht so einfach verbessern läßt", meint sie lachend. Daher habe sie sich mit der Wirklichkeit arrangiert und ihre „hehren Vorstellungen" relativiert. Man müsse im Laufe der Zeit erkennen, „was alles nicht zu verändern ist", auf der anderen Seite wachse aber auch die Kraft, „es auszuhalten".

Heute - nach langjähriger Berufserfahrung - ist es ihr immer noch wichtig, „etwas Sinnvolles tun zu können, Menschen zu stärken und sie zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen".

Am Beruf der Sozialarbeiterin gefällt ihr besonders, daß das Berufsfeld sehr weit gefaßt ist. So war Seiler-Baumfeld vor ihrer jetzigen Tätigkeit in der Familienberatungsstelle schon in der Kinder- und Jugendarbeit als „Gemeinwesenarbeiterin" und in diversen Projekten für Arbeitslose beschäftigt. Angesprochen auf das Prestige ihres Berufes meint sie, sie habe die Erfahrung gemacht, daß „die Mehrheit der Bevölkerung" die Arbeit mit Außenseitern und Randgruppen abwerte, während etwa die Arbeit mit Familien sehr geschätzt werde.

Als wichtigste Eigenschaften, die man für den Beruf der Sozialarbeiterin mitbringen müsse, sieht Seiler-Baumfeld „Kommunikationsfreudigkeit und Entwicklungsfähigkeit", sowie die Bereitschaft, „sich auseinanderzusetzen mit sich, selbst und seiner Rolle im Ijeben".

Die Erziehung ihrer Kinder gab für Swanhild Piringer (54) den Ausschlag, den Beruf der Psychotherapeutin zu ergreifen. Denn dabei sei ihr aufgefallen, „wie wichtig es ist, daß man ein bißchen mehr über die menschlichen Belange weiß". Zu ihren idealistischen Vorstellungen hat sie im Laufe der Jahre Abstand gewonnen: „Es steht schon noch die Vorstellung dahinter, den Menschen zu helfen", räumt sie ein. Jedoch habe sie erkannt, daß sie als Psychotherapeutin quasi als „Katalysator" nur „dazuhelfen" könne. Gesund werden und Veränderungen im Leben setzen, müßten die Patienten selbst. „Das ist natürlich zum Teil auch sehr frustrierend", gibt sie zu.

Um Psychotherapeut sein zu können, müsse man „die Menschen wirklich mögen", so Piringer. Von den Patienten komme „viel schweres Leid und Ärger". „Das muß man einfach aushalten können", meint sie nüchtern. Die Anforderungen dieses Berufes seien auch deshalb so hoch, weil man zwischen Beruf und Privatleben „nicht wirklich trennen" könne, „wenn man es ernst meint". „Ein gutes soziales Umfeld" und die „Arbeit im Team" helfen Swanhild Piringer, mit den Belastungen umzugehen.

Gängige Klischees

Das Prestige ihres Berufsstandes sieht sie davon abhängig, „welche Erfahrungen die Leute mit Psychotherapeuten gemacht haben": Menschen, die selbst Positives erlebt hätten, würden Psychotherapeuten schätzen. Jene, die „gar keine Ahnung" hätten, meinten oft, „daß die selber nicht ganz dicht sind", so Piringer schmunzelnd.

„Familiäre Vorbelastung" ließ Annemarie Weinberger (32) die Laufbahn als Diplomkrankenschwester einschlagen. Ihr Bild vom Beruf war zunächst von „gängigen Klischees" bestimmt:

Sehr bald mußte sie merken, daß die Vorstellung von der Krankenschwester, „die bei den Visiten mitgeht und Spritzen vorbereitet", nicht ganz der Bealität entspricht. Vor allem die Begegnung mit dem Tod zerstörte ihre Illusionen. „Ich habe mich nicht damit auseinandergesetzt, daß die Leute auch sterben", blickt sie zurück. Daran „gewöhnt" hat sie sich auch heute noch nicht.

„Letztlich ist es aber irgendwann eine reine Verdrängung", meint ihr Mann Rudolf, 35, der als Diplom krankenpfleger auf der Intensivstation tagtäglich mit dem Tod konfrontiert ist. Man dürfe in diesem Beruf keine Berührungsängste haben, „vor dem Menschen, vor Grenzsituationen, vor dem Tod".

„Materialistisch denkende Menschen können keine Krankenpfleger sein", ist Rudolf Weinberger überzeugt. Und noch eine Eigenschaft sollte unbedingt vorhanden sein: „Eine soziale Ader brauchst Du sicher, weil zu Ruhm und Ehre reicht es wohl nicht", so Annemarie trocken.

„Ich wollte den Menschen helfen", nennt Elisabeth Ornetsmüller (36) als Leitmotiv für ihre Berufswahl. Seit mittlerweile 18 Jahren arbeitet die Alten- und Pflegefachkraft im Pflegeheim in Ried im Innkreis. „Meine Großeltern sind bis zum Schluß zu Hause gepflegt worden", erzählt sie. Eine Erfahrung, die ihren Weg wesentlich beeinflußt hat: „Ich wollte für diese Menschen da sein, die teilweise unfreiwillig von zu Hause wegkommen", fährt sie fort.

Verloren hat sie ihren Idealismus auch nach 18 Jahren nicht: „Sie sind wie unsere Großeltern", meint sie über die Heimbewohner. Wer den Beruf der Altenpflegerin ergreifen wolle, müsse vor allem „ein fröhlicher Mensch sein", „auf Menschen eingehen können" und „gute Nerven haben".

Erfolgserlebnisse seien selten, räumt Ornetsmüller ein. „Aber wenn man eines hat, dann ist das umso kräftiger", fügt sie sofort hinzu.

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