6674422-1961_15_04.jpg
Digital In Arbeit

Strafgesetz und Kriminalpolitik

Werbung
Werbung
Werbung

Wir beenden im folgenden die im vorigen Blatt begonnenen Ausführungen des bekannten österreichischen Juristen. Die Furche

Im folgenden ist von den Straf- z vf-ec k e n im besonderen die Rede. Von der Vergeltung und Sühne als beherrschendem Prinzip des Strafrechtes war bereits die Rede. Zu fordern ist die eindeutige Abstellung auf die Einzeltatschuld. Dies geht allerdings aus den Bestimmungen des österreichischen Strafgesetzentwurfes nicht eindeutig hervor. Es spricht vieles für das Gegenteil. Dadurch wäre die Möglichkeit abgeschnitten, unter Schuld auch die „Lebensführungsschuld“ oder die „Lebensentscheidungsschuld" zu verstehen und damit dem einzelnen aus der Wahl eines verfehlten Lebensweges einen Vorwurf zu machen. Denn es würde immer schwer, vielleicht geradezu unmöglich sein, wenn man die gesamte Lebensführung eines Täters zu beurteilen hat, zwischen Schuld und Schicksal „mit einer für ein gerichtliches Verfahren erforderlichen Sicherheit zu entscheiden“ (L a n g - H i n- r i c h s e n) und darüber hinaus das Schuldmaß zu bestimmen und eine entsprechende Strafe festzusetzen. Hier glauben viele den Ansatzpunkt für das oft so falsch verstandene Täterstrafrecht zu finden, wobei nicht verkannt werden darf, daß sich unter dieser Maske nicht selten ein Gefährlichkeitsstrafrecht verbirgt. Die Gefährlichkeit eines Täters, ihren Grad und die jeweils erforderlichen Behandlungsmaßnahmen, ja den Augenblick, in welcher die Gefährlichkeit behoben sein wird, zu bestimmen, ist ein problematischeres Unterfangen als die Bemessung nach Schuldgrundsätzen.

Die Strafe braucht nicht immer eine exakte Ausgleichung der Schuld zu bringen. Sie hat auch andere Zwecke. Friedrich Wilhelm Förster hat in seinem Buch „Schuld und Sühne'V 0191'1,.i-S. 21, -erklärts>i«,Die Vergeltung ' kann ein* annäherndes Symbol - für eine wirklich ■tiefere- -Korrektur des gestörten Gleichgewichtes der sittlichen Ordnung sein. In dieser symbolischen Bedeutung ihrer Normen aber ist sie unentbehrlich, ebensosehr für die Seele des Schuldigen wie für die Sicherung der Autorität des Rechtswillens.“ Damit klingt bei Förster der bereits von Plato in seinem Dialog Gorgias vertretene Grundsatz nach: „Wenn sich aber jemand in irgendeiner Beziehung der Schlechtigkeit schuldig macht, so muß er durch Strafe gezüchtigt werden, und dies ist das zweithöchste Gut nach dem Gerechtsein, daß man gerecht werde und durch Züchtigung seine Strafe erhalte.“ So wird die Brücke zu dem Gedanken geschlagen, daß der rechtfertigende Grund beim Täter selbst liege, nicht in Zwecksetzungen, die Dritte betreffen und vornehmen. Die Sühnewirkung ist daher, vom sittlichen Standpunkt betrachtet, der Angelpunkt für die Besserung des Verbrechers.

Bei dem Strafzweck der Generalprävention verlangt das Ordnungsbedürfnis der Rechtsgemeinschaft gebieterisch, daß der Staat dem Täter einen Rechtsbruch nicht hingehen läßt. Daneben tritt der Besserungszweck und damit das Problem der Resozialisierung. In den skandinavischen Ländern hat die Anwendung von Resozialisierungsmethoden keinen bemerkenswerten Rückgang der Kriminalität herbeigeführt. Als Einwendungen dagegen werden vorgebracht: Die Resozialisierung führt zu Folgerungen, die das Rechtsgefühl nicht verträgt. Denn dieses verlangt, daß der Täter bekomme, was er durch seine Tat verdient hat, und das müsse nicht immer mit dem identisch sein, was er nötig hat, um resozialisiert zu werden. Hier verweist Bockeimann darauf, daß Bagatelledelikte Symptome eines tiefgreifenden Persönlichkeitsverfalles sein können und daß schwerste Verbrechen unter der Voraussetzung begangen werden, welche die Gewißheit begründen, daß weitere Straffälligkeit des Täters ausgeschlossen ist. Es ist einerseits nicht möglich, aus Anlaß einer geringfügigen Tat das zu ver hängen, was zur Resozialisierung des Täters erforderlich ist — nämlich unter Umständen eine langfristige Anhaltung —, und es wäre ebensowenig zu vertreten, eine schwere Tat, zum Beispiel einen Mord, deshalb ungestraft zu lassen, weil ein präventives Einschreiten gegen den Täter, weil er einer Resozialisierung nicht bedarf, überflüssig ist. Damit soll keineswegs der Resozialisierungszweck der Strafe verneint werden, sondern nur angedeutet werden, daß er als alleiniges oder auch nur herrschendes Prinzip unannehmbar ist. Es beweist ferner, daß gerade für die Strafzumessung der Kriminalpolitik Grenzen gesetzt sind. Besonders bei Fällen geringer Strafwürdigkeit ist eine auf Prävention abzielende Beeinflussung des Täters nicht nötig, ich denke an Fahrlässigkeitsdelikte, zum Beispiel die sogenannten Verkehrsdelikte, die in der ständig zunehmenden sozialen Verdichtung des Lebens eine immer größere Rolle spielen. Und doch zeigt, obwohl kein Resozialisierungsbedürfnis besteht, die Erfahrung der letzten Zeit, daß auch bei diesen Delikten die nicht zur schweren Kriminalität gehören, eine strenge Bestrafung geboten ist. Wir sprechen hier von der sogenannten Konfliktkriminalität. Naturgemäß gibt es auch Kriminelle, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr resozialisierbar sind, oder solche, deren besondere Brutalität und Gefährlichkeit einen längeren Freiheitsentzug erforderlich macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung