Flasche - © Illustration: Rainer Messerklinger

Umkehr war keine Option

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Entzug gleich nach der Geburt – damit haben die Kinder heroinabhängiger Mütter zu kämpfen. Eine Geschichte von Sucht, Therapie und Schuldgefühlen.

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Entzug gleich nach der Geburt – damit haben die Kinder heroinabhängiger Mütter zu kämpfen. Eine Geschichte von Sucht, Therapie und Schuldgefühlen.

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Es ist das beklemmende Gefühl der Schuld, dass Lara* Tag für Tag beglei- tet. Es wächst, wenn sie sich Dokumentationen über „Methadon-Babys“ auf Netflix ansieht – und es schrumpft wie- der, wenn sie in der Therapie über ihren Gewissenskonflikt spricht. Gänzlich ihrer Vergangenheit ent- ziehen kann sie sich nicht. Sie ist die Mutter zweier Buben, die gleich nach der Geburt drogenabhängig waren. Die Ursache waren die Substitutionsmittel, die Lara während der Schwangerschaft einnehmen musste. Mit 21 Jahren beginnt sie, Hero- in zu nehmen. Über den Auslöser kann sie heute nur mutmaßen. Schulfrust, Eltern, die ihr keine Strukturen bieten, der plötzliche Tod der geliebten Oma. Vermutlich ist es eine Mischung aus allem. Alle negativen Gefühle verschwinden schlagartig, als sie das erste Mal das kristalline Pulver inhaliert. Es ist wie ein Zauber. Der Rauschzustand, in den sie versetzt wird, lässt sie alles vergessen. Mit ihrem damaligen Freund – einem Drogendealer – begibt sie sich wieder und wieder auf einen Trip. Dass sie bereits schwerst abhängig ist, merkt sie erst, als sie mit den Drogen aufhören will.

Kurz kehrt Normalität ein

Im „Dialog“, einem ambulanten Zentrum für Suchtbehandlung in Wien, unterzieht sie sich einer Substitutionstherapie und wird auf synthetische Ersatzstoffe eingestellt. Heroinabhängige wie sie sollen so vom ständigen Beschaffungszwang erlöst werden. Laras Entzugserscheinungen werden gelindert. Abhängig wird sie trotzdem ein Leben lang bleiben. Der Wiedereinstieg ins soziale Leben gelingt ihr. Sie findet einen Job als Mitarbeiterin bei einer NGO.Kurze Zeit kehrt so etwas wie Normalität in Laras Leben ein. Doch dann wird sie schwanger. Ungeplant.

Der Arzt stuft sie sofort als „Risiko-Schwangere“ ein. Auch erfährt sie, dass ihr Neugeborenes gleich nach der Geburt einen harten Entzug wird durchmachen müssen. Das Wort Abtreibung fällt. Doch sowohl Lara als auch der Vater des Kindes entscheiden sich dagegen. Sie wollen ihrem Kind nicht das Recht auf sein Leben verwehren, es büßen lassen, für einen Fehler, den die Mutter einst begangen hat. Das Wilhelminenspital im Wiener Bezirk Ottakring: In der Station für Kinder- und Jugendheilkunde werden Kinder behandelt, die vorher zwei Gebäude weiter von „gut eingestellten“ Müttern zur Welt gebracht wurden. Krankenschwestern beobachten die Herzfrequenz der Babys auf den Monitoren oder halten jene dick in Decken eingewickelten Säuglinge im Arm, deren Eltern gerade abwesend sind. 30 sogenannte Suchtbabys werden hier im Jahr geboren.

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