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Vier Zeichen an der Wand

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Wenn wir die Höhe der kulturellen Anstrengungen und Leistungen unseres Landes nach der Häufigkeit beurteilen, mit der unsere Politiker das Wort Kultur in den Mund nehmen, so müßten wir mit an der Weltspitze stehen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Wir stehen nicht an der Spitze, sondern drohen im letzten Drittel der europäischen Staaten zu landen. Schuld an dieser Entwicklung ist keineswegs die Kleinheit unseres Landes, sondern schuld sind Planlosigkeit, Bürokratismus und das geistig bescheidene Niveau eines Teiles unserer Politiker.

Ich möchte mich in meiner Beweisführung, obwohl die gleiche Situation noch auf vielen anderen Gebieten des kulturellen Lebens herrscht, auf vier Probleme beschränken: Hochschule, das 9. Schuljahr, Forschung und die Bundestheater.

Vergleichen wir die Revolten der Hochschüler in Frankreich, Italien und der deutschen Bundesrepublik mit den harmlosen Unternehmungen ähnlicher Art in Österreich, so könnte man glauben, bei uns seien die Probleme der Hochschulen gelöst. Doch ist das eine Täuschung und ergibt sich aus der Abneigung unseres Volkes, auch seiner Intelligenz, gegen jede Art von Radikalismus.

Tatsächlich sieht es aber bei uns im Grunde schlimmer aus als in den oben erwähnten Ländern. Während sich in ihnen genügend Ansätze eines geistigen Umdenkens zeigen, herrscht bei uns das bürokratische System mit dem. damit verbundenen Autoritätsdenken uneingeschränkt weiter.

Uns fehlen an den Stanwnuniversi-täten Wien, Graz und Innsbruck Hörsäle, Labors, Lehrkräfte und Forschungsmittel. Statt hier konzentrierte Abhilfe zu schaffen, wurde es Mode, alle zwei Jahre eine neue Universität zu errichten. Wir erleben eine ständige Vermehrung von sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen, von rechts- und geisteswissenschaftlichen Fakultäten, weil sie mit geringerem Kostenaufwand verbunden sind als Institute für Technik und Naturwissenschaften, obwohl nur auf diesem Gebiet ein großer Nachholbedarf besteht. Jedem Bundesland eine Universität, heißt die Parole, doch bedeutet ein solches Vorgehen nicht Hochschulpolitik, sondern Proporzpolitik in Form von Geschenken an die Bundesländer und ehrgeizige Politiker, wobei das gemeinsame Vaterland Österreich in seiner kulturpolitischen Entwicklung zu Schaden kommt. Weil hier der Dilettantismus zur Methode erhoben wird, ist die Entwicklung doppelt betrüblich. Die Fehlplanung führt einerseits zu einem Mangel an Führungskräften auf verschiedenen Gebieten, auf der anderen Seite aber zur Schaffung eines Intelligenzproletariats.

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