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Indiens „dritter Kommunismus“

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Die Gründung einer dritten kommunistischen Partei in Indien, die sich offen zu Peking bekennt und sich neben dem bereits verbrauchten Zusatz „marxistisch“ noch die Bezeichnung „revolutionär“ zulegte, besiegelte nach außen hin den Bruch zwischen der KP Indiens (marxistisch) und der chinesischen Führung. Und es vergingen kaum zwei Monate seit dieser Gründung, bis die früheren Mao-Anhänger den Weg nach Europa fanden, und zwar, bezeichnenderweise, nach Bukarest. Obwohl die rumänischen KP-Führer seit Jahren für Kontakte mit allen kommunistischen Parteien aus jenen Ländern auftreten, wo sich die kommunistische Bewegung gespalten hat, war ihnen dies nur in einem einzigen Fall gelungen, nämlich im Falle Israels, wo aber keine der beiden KP eine prochinesische Orientierung aufweist. Im Falle der indischen KP (marxistisch) scheiterte die rumänische Kontaktfreudigkeit offensichtlich an der Interesselosigkeit der indischen Linkskommunisten. Den prochinesischen kommunistischen Parteien in Westeuropa oder ähnlichen Bewegungen in Afrika gegenüber zeigte Bukarest dagegen kein Interesse. Merkwürdigerweise hat Bukarest bis jetzt auch keine Anstrengungen unternommen, mit jenen KP Fühlung zu nehmen, die zu den treuesten Anhängern Maos zählen, die KP Neuseelands und die linkskommundstische Partei Australiens, obwohl sich die rumänische KP um ein harmonisches Verhältnis zu Peking und Tirana bemüht.

Einladung ohne Echo

Völlig ohne Echo blieb anderseits der rumänische Vorschlag, in Anwendung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Parteien an die internationalen kommunistischen Beratungen, alle sich als kommunistisch bezeichnenden Parteien einzuladen. Ob sich Moskau selbst diesem Vorschlag widersetzt hat, mag dahingestellt bleiben. Man könnte einerseits darauf hinweisen, daß eine Konferenzbeteiligung jener Parteien, die sich offen gegen Moskau auflehnen, die Aussichtslosigkeit der Bestrebungen hinsichtlich einer Durchsetzung des Führungs'anspruchs nur noch mehr erhöhen könnte. Anderseits ist aber auch nicht zu leugnen, daß sich Moskau tatsächlich für einen Dialog mit den abtrünnigen Parteien bemüht und daß es als einen großen Erfolg die Gesprächstoereitschaft solcher Parteien buchen würde, die im Gegensatz zur strikten Ablehnung jeder Verhandlung von Seiten Pekings und Tiranas stünde. Es waren jedoch in erster Linie gerade die prosowjetischen Parteien, die darin eine Art von nachträglicher Legitimierung ihrer Spaltung sahen und sich deswegen dem rumänischen Vorschlag verschlossen. Diesem Vorschlag kam übrigens keine praktische Bedeutung zu, da die prochinesischen Spaltergruppen selbst an Gesprächen mit Moskau oder an einer Konferenzteilnahme eine ähnlich mangelnde Bereitschaft wie Chinesen und Albaner zeigten.

Es kamen aber nun nach Bukarest zwei Politbüromitglieder dieser „marxistischen“ indischen KP, Sur-jeet und Ranadive, die bei den letzten Wahlen einen größeren Erfolg als die prosowjetischen Kommunisten erzielen konnten. Man wird vermutlich über den Inhalt der Gespräche nichts Genaues erfahren. Das Schlußkommunique — falls eines veröffentlicht wird — wird von einer Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen sprechen, wobei beide Seiten auf die bekannten Grundsätze der Gleichberechtigung der Parteien uid der Nichteinmischung in inneren Angelegenheiten hinweisen werden. Und man wird im Westen ein solches Kommunique wieder als eine Ablehnung des Führungsanspruchs Moskaus auslegen.

Blättern wir jedoch in die jüngste Geschichte zurück. Vor etwa drei Jahren hatte der Bukarester Besuch einer Delegation der japanischen KP eine wahre Sensation ausgelöst. Die beiden Parteien einigten sich über eine feierliche Bekräftigung der Grundsätze der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien, so daß die Kommentatoren im guten Glauben das Zustandekommen einer Art von antisowjetischem Bündnis zwischen den beiden Parteien annehmen konnten. Es wurde dabei übersehen, daß ein Bekenntnis zum Grundsatz der Beachtung verschiedener Ansichten von Seiten der japanischen Kommunisten, die damals zur Gefolgschaft Pekings zugezählt wurden, vor allem eine Absage an die universelle Gültigkeit des von den Chinesen geförderten Weges zur Machtergreifung des revolutionären Kampfes bedeutete. Ein Jahr später erfolgte dann der Bruch zwischen Peking und der KP Japans, und kurz darauf wurde die allmähliche Besserung der Beziehungen zu Moskau eingeleitet, die durch den Besuch Suslows deutlich wurde. Auch die nordkoreanischen Kommunisten zählten ursprünglich zum chinesischen Lager. Und auch mit ihnen führten die Bukarester Kommunisten ein reges Gespräch. Nach einer angemessenen Zeit äußerten die Chinesen ihre Unzufriedenheit

mit dem nordkoreanischen Kurs, während im stillen eine gewisse Besserung der Beziehungen zwischen Moskau und Pjöngjang stattfand, so daß im vergangenen Monat der sowjetische Staatschef Podgorny Nordkorea einen offiziellen Besuch abstatten konnte.

War es reiner Zufall, daß der Bukarester Besuch der früheren indischen Mao-Anhänger mit der Tagung des Exekutivausschusses des Weltgewerkschaftsbundes, ebenfalls in Bukarest, zusammenfiel? Aus diesem Anlaß befand sich nämlich in Bukarest — völlig unauffällig — auch der Generalsekretär der prosowjetischen indischen Kommunisten, Dange, und zwar in seiner Eigenschaft als Stellvertretender Vorsitzender des Weltgewerkschaftsbundes. Er nahm keinen Anstoß an der Anwesenheit der Vertreter der Rivalen und bekundete zusammen mit dem rumänischen Parteichef Ceau-sescu den gemeinsamen Wunsch nach einem Ausbau ihrer bilateralen Beziehungen, „im Interesse der Konsolidierung der Einheit der kommunistischen Bewegung“ — wie es hieß. Man kann gespannt darauf warten, wie sich die Beziehungen zwischen den beiden kommunistischen Parteien Indiens, vor allem aber wie sich die Beziehungen der „marxistischen“ KP Indiens zu Moskau entwickeln werden.

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