Martin Sajdik - © Foto: picturedesk.com / Tass / Natalia Fedosenko

Martin Sajdik über die Verhandler der Weltläufte

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Das Tagesgeschäft von Diplomaten und Diplomatinnen spielt sich häufig abseits der Öffentlichkeit ab. Der Diplomat Martin Sajdik über Diskretion, Prioritäten und persönliche Tiefpunkte.

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Das Tagesgeschäft von Diplomaten und Diplomatinnen spielt sich häufig abseits der Öffentlichkeit ab. Der Diplomat Martin Sajdik über Diskretion, Prioritäten und persönliche Tiefpunkte.

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Ja, Journalismus und Diplomatie haben vieles gemeinsam, beide sind äußerst facettenreich. Sei es Wirtschaft, sei es Kultur, Journalisten und Diplomaten, die in diesen Bereichen arbeiten, haben einander viel zu sagen. Auch bei Chronik und Konsularischem gibt es zahlreiche Berührungspunkte. Und natürlich das große Feld der Außenpolitik, des eigenen Landes wie auch als Betrachter und Kommentator internationaler Entwicklungen, die Vertreter beider Zünfte schreiben oft über das Nämliche, nur – beim Journalisten wird’s öffentlich, beim Diplomaten ist’s einem zumeist exklusiven Adressatenkreis im Außenministerium und/oder in sonstigen Verwaltungseinheiten vorbehalten. Dabei ist vor allem die Diskretion ein Schlüsselelement für Erfolg in der sogenannten „stillen Diplomatie“, einer unverzichtbaren Komponente internationaler Beziehungen.

„Stille Diplomatie“ ist nicht automatisch gleichzusetzen mit „Geheimdiplomatie“. Sie geschieht abseits öffentlicher Wahrnehmung, nicht, weil der Öffentlichkeit diplomatische Schritte zu verheimlichen sind, sondern weil sich das öffentliche Interesse auf diese Aspekte der täglichen diplomatischen Tätigkeit einfach nicht erstreckt.

Oberste Prioritäten

„Stille“ in der Diplomatie wählt man aber auch dann, wenn in besonderen konsularischen Angelegenheiten, etwa Haftentlassungen oder -erleichterungen wie auch Begnadigungen, in einem anderen Staat interveniert wird. Derartige Interventionen betreffen in der Regel eigene Staatsbürger, in besonderen Fällen aber auch Angehörige jenes Staats, um dessen Entgegenkommen ersucht wird. Die „Stille“ nützt, um in der eigenen Öffentlichkeit im Falle von Konzessionen an einen anderen Staat nicht „das Gesicht zu verlieren“.

Erfolg ist in einer gezielt eingesetzten „stillen Diplomatie“ nicht von vorneherein garantiert, man muss vielmehr auch hier mit bitteren Enttäuschungen rechnen. Ein persönlicher Tiefpunkt für mich war, während meiner Botschafterzeit in Peking das unendliche Leid zweier Österreicherinnen chinesischer Herkunft unmittelbar mitzuerleben, deren Vater – kein österreichischer Staatsbürger – trotz Interventionen von und auf höchster Ebene hingerichtet wurde, obwohl er stets seine Unschuld beteuert hatte. „Stille Diplomatie“ wandte auch ich selbst an, etwa in den viereinhalb Jahren, in denen ich als OSZE-Vermittler im Ostukraine-Konflikt tätig war.

Während der im Zwei-Wochen-Rhythmus in Minsk abgehaltenen Verhandlungsrunden der sogenannten Trilateralen Kontaktgruppe, der neben der OSZE Russland und die Ukraine angehören und zu denen auch Vertreter aus den „bestimmten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk“, sprich, der Separatisten, eingeladen wurden, bot sich in Direktkontakten immer wieder die Gelegenheit für Interventionen in humanitären Fragen oder Einzelfällen. Ähnliches galt für meine Besuche im Konfliktgebiet.

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