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Von der „religiösen Scheu“

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Zum zweiten katholischen Filmsonntag in Oesterreich und zur VI. Internationalen Festwoche des religiösen Films möchte ich den Veranstaltern namens der österreichischen Filmindustrie einen recht schönen Erfolg für ihre Arbeit wünschen und ihnen insbesondere dafür danken, daß es ihnen gelungen ist, nun schon zum sechsten Male Spitzenwerke der religiösen Filmkunst im Rahmen einer Festwoche in Wien zu zeigen, denn sie erweisen damit auch dem Filmland Oesterreich einen Dienst, der weit über die Grenzen unseres Landes hinaus Anerkennung findet. Die Hereinnahme eines Films aus dem Bereich nichtchristlicher Glaubensbekenntnisse ins diesjährige Programm zeigt auch, daß die Veranstalter bemüht sind, die ideelle Basis dieser Festwoche ständig zu verbreitern.

Wie oft bei solchen Anlässen wird an uns Filmproduzenten die Frage gerichtet, warum denn kein österreichischer Film religiöser Thematik bei solchen Festwochen gezeigt werde, ja überhaupt nicht hergestellt wird. Wenn man von Kurzfilmen religiöser Art, die auch in Oesterreich produziert werden, absieht, sind ja nun tatsächlich, von ganz wenigen Ausnahmen in den ersten Nachkriegsjahren abgesehen, keine religiösen Filme von der österreichischen Produktion hergestellt worden. Auf die Frage

„Warum das so ist?“ wird der reine Filmkaufmann klipp und klar antworten müssen, weil solche Filme eben kein Geschäft sind, weil sie nicht einmal die Herstellungskosten auch nur annähernd einspielen können. Wenn wir die deutschsprachige Filmproduktion ihrer sprachlichen Marktgleichheit wegen in einem betrachten wollen, dann sieht es für den religiösen Film schon etwas besser aus, denn aus Deutschland kommen doch hin und wieder abendfüllende Filme dieser Art. Im deutschen Sprachkreis hat in der Hauptsache der abendfüllende Dokumentarfilm religiösen Charakters Chancen, beim Publikum anzukommen. Auch hier darf man allerdings die konfessionelle Zweiteilung in Deutschland nicht übersehen. Solche Dokumentarfilme sind aber relativ billig herzustellen, und das Publikum ist oft sogar bereit, hier über technische Mängel hinwegzusehen, weil es den Schwierigkeiten der Dokumentarfilmherstellung aufgeschlossen gegenübersteht.

Anders ist die Situation beim religiösen Spielfilm. Es gibt wohl hier keinen Themenmangel, es würden sich auch genügend Autoren und Regisseure finden, dię religiöse Themen in die entsprechende filmische Form kleiden. Hier aber gilt es klar zu überlegen. Seit Bestehen des Films haben sich große ausländische Firmen mancher biblischer Stoffe als Filmvorlage be dient, nicht immer wird das Ergebnis den kirchlichen Auffassungen entsprochen haben. Immerhin aber waren diese Filme publikumswirksam verbrämt, reich ausgestattet und oft sogar spannend gestaltet. Gegenüber diesen Monsterprodukten in Konkurrenz zu treten, ist allein, schon aus finanziellen Gründen für deutschsprachige Produzenten unmöglich. Davon ganz abgesehen, liegt es dem Mitteleuropäer nicht, religiöse Motive ihres tiefen Ernstes zu berauben und in leuchtenden Farben, prächtiger Ausstattung und Massenszenerie, die lediglich dem Schaubedürfnis des Publikums dienen, praktisch untergeben zu lassen. Die gleichen Gründe sind auch dafür maßgebend, daß sich im deutschsprachigen Raum niemand findet, der sich an die heitere, ja sogar komödienhafte Darstellung eines ursächlich religiösen Vorwurfs, wagt, wie dies etwa Franzosen, Italiener, Engländer und Amerikaner schon gemacht haben.

Was also bleibt, ist der ernste und gehaltvolle Film, der sich um ein religiöses Thema bemüht und von guten Schauspielern, die dem Publikum nicht als Possenreißer oder Helden, nicht als Call-Girls oder als ständige Salondamen bekannt sind, getragen wird. Auch ein solcher abendfüllender Film ist aber selbst in Schwarz-Weiß nicht unter fünf bis sechs Millionen Schilling Herstellungskosten zu drehen. Dieses Geld muß aber wieder hereinkommen, das heißt, genau gesagt, ein Vielfaches dessen, denn an der Kinokasse hat ja der Besucher einen Betrag zu bezahlen, von dem der Filmproduzent den geringsten, der Steuereinnehmer den höchsten Anteil bekommt. Es ist eine erfreulicherweise nun schon allgemein bekannte Tatsache, daß die Filmwirtschaft in Oesterreich überbesteuert wie keine aridere Wirtschaftssparte ist . und daß sie sich nicht zuletzt aus diesem Grunde zur Zeit in einer schweren Krise befindet. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, näher auf Ursachen, Auswirkungen dieser die Existenz der österreichischen Filmindustrie und der Filmschaffenden schwer bedrohende Krisenerscheinung einzugehen. In Oesterreich selbst kann kein Film, also auch keiner religiösen Inhalts, seine Herstellungskosten einspieleri, im Höchstfall ein Sechstel davon; aber auch um das zu erreichen, muß er schon publikumswirksamstes Spitzenprodukt sein. Von einem Film religiöser Art ist ein solcher geschäftlicher Erfolg selbst bei günstigem Export nach Deutschland nicht zu erwarten. Die Abhängigkeit der österreichischen Produktion vom deutschen Markt brauche ich wohl im Hinblick auf :i diEst e ehenemaEinkpielmöglithkeiteh MKfhtsite' sonders, zu unterstreichen..: ja . uh r Man wird1 in uninforrfnerten Kreisen-’dem -ent-i - gegenhalten, daß man eine solche Behauptung doch so lange gar nicht aufstellen könne, solange man nicht in der Praxis erprobt habe, ob ein religiöser Film nicht alle Vorausberechnungen Lügen straft und zu einem überragenden Spitzenerfolg wird. Ich kann dieser Meinung nur Tatsachen gegenüberstellen, erschütternde Tatsachen. Beste ausländische Filme religiösen Charakters, ausgezeichnet gemacht, teilweise gültiges Kunstwerk, teilweise mit reißerischen Effekten verbrämt, um dadurch mehr Publikum zu bekommen, sind durch die Kinos unseres Landes gegangen und haben oft nicht einmal die Kopienkosten, geschweige denn Reklamespesen oder Kaufpreis eingespielt. Filme, die von der katholischen oder evangelischen Filmkommission als besonders sehenswert empfohlen wurden, die internationale Preise erhielten — sie wurden vor fast leeren Häusern gespielt.

Und hier sei mir ein offenes Wort erlaubt. Sosehr ich die Arbeit der kirchlichen Filmstellen schätze, ihr ehrliches Bemühen für den guten, den kulturell wertvollen, den religiösen Film begrüße, es fehlt dieser Tätigkeit der Widerhall, der Widerhall dort, von woher er einzig und allein kommen muß, vom Publikum nämlich. Bei Tagungen und Konferenzen, in Aufrufen und Resolutionen ist relativ leicht das Wort dem wertvollen oder religiösen Film geredet. Die Masse der Gläubigen jedoch zu diesen Filmen ins Kino zu bringen, ist sicher weit schwieriger, aber es ist eine Voraussetzung dafür, daß solche Filme überhaupt erzeugt werden können. Man mag dem wieder entgegenhalten, daß kirchliche Filmstellen nicht dazu da sind und daß sich die kirchliche Filmarbeit nicht damit zu beschäftigen habe, den Besuch bestimmter Filme mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern. Wenn aber immer wieder und immer lauter die Forderung nach sol chen Filmen erhoben wird, dann müßte das geschehen. Daß es rein organisatorisch möglich ist, beweisen uns die kirchlichen Filmstellen im Negativen ja schon seit langem. Filme, die abgelehnt werden, gehen heute schon meist sang- und klanglos unter. Ein sichtbares Zeichen für den großen Einfluß der kirchlichen Filmstellen.

Für die österreichische Filmproduktion, aber auch für den österreichischen Verleih liegen hier die Hauptgründe für die Scheu, religiöse Filme zu produzieren bzw. zu importieren und zu verleihen, weil sie — so bedauerlich es ist — ausnahmslos mehr oder minder schwere Verluste brachten. Hoffen wir, daß sich im Interesse der Kirche und in enger Zusammenarbeit diese Situation in naher Zukunft bessern möge.

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