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Was ist eine christliche Sendung?

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Zur ersten Internationalen Christlichen Fernsehwoche, 1969 in Monte Carlo, kamen 108 Teilnehmer, 1971 nach Baden-Baden kamen 150, und in diesem Jahr, in Salzburg, waren es schon rund 200. Eine stattliche Bilanz, die sich noch durch folgende Zahlen ergänzen läßt: Für das Festival in Baden-Baden wurden 65 Produktionen angemeldet, für Salzburg 72; die Vorauswahl passierten in diesem Jahr 46 Produktionen, 13 mehr als 1971. Bei der Fernsehwoche in Salzburg waren erstmals vier Ostblockländer vertreten — die Sowjetunion, Ungarn und Jugoslawien mit eigenen Beiträgen, und Polen durch einen Beobachter.

Diese Erfolgszahlen legen die Vermutung nahe, daß sich die von der UNDA (Internationale Katholische Organisation für Radio und Fernsehen) und von der WACC (Weltorganisation für Christliche Kommunikation) gemeinsam getragene Internationale Fernsehwoche als Informationsbörse durchgesetzt hat. Das, innere Selbstverständnis scheint jedoch noch nicht gefunden zu sein. Offen ist vor allem weiterhin die Frage, wie denn das spezifisch Christliche an einer Sendung auszumachen sei. Die einen legen das Schwergewicht auf die Verkündigung, andere fordern zur Meditation vor dem Bildschirm auf, wieder andere bemühen sich um Distanz und sehen ihre Aufgabe darin, Information über Glauben und Kirche zu liefern.

Doch von all diesen Fragen abgesehen, fühlte man sich bei dem für Salzburg vorliegenden Angebot nicht zufrieden. Häufig machte sich Langeweile breit, mancher verließ während der Vorführungen die Große Aula der Salzburger Universität, und immer wieder konnte man den Stoßseufzer hören, daß weniger mehr gewesen wäre.

Zu den Neuigkeiten von Salzburg gehörten Filme über die Kirche im Ostblock; zwei Beiträge, ein russischer und ein finnischer, befaßten sich mit der russisch-orthodoxen Kirche, ein niederländischer mit der rumänisch-orthodoxen und zwei jugoslawische mit der katholischen Kirche in Jugoslawien.

Daß sich der Eiserne Vorhang in dieser Hinsicht etwas gehoben hat, ist erfreulich und erweitert die Palette des Angebots für die Internationale Christliche Fernsehwoche. Man darf dabei allerdings nicht übersehen, daß in einigen Fällen nicht mit offenen Karten gespielt wurde. So erweckte der russische 90-Minuten-Film über das Landeskonzil und die Inthronisation des Patriarchen Pimen den Eindruck, als sei diese Produktion für das öffentliche Fernsehen in der Sowjetunion gedreht und dort auch gesendet worden: das Filmmaterial war unter dem Absender des Moskauer Fernsehens nach Salzburg geschickt worden, und das Vorauswahlkomitee hatte bei seinen Recherchen die Auskunft erhalten, dieser Film sei bereits im öffentlichen Fernsehprogramm erschienen.

Die peinliche Klarstellung blieb dank hartnäckiger Fragen einiget Festivalteilnehmer nicht aus: es handelte sich um eine Eigenproduktion des Moskauer Patriarchats, die in der UdSSR nur im kirchlichen Raum gezeigt werden darf. Da das Außenamt der russisch-orthodoxen Kirche an diesem Film wesentlich beteiligl war, lag für manchen der Verdacht nahe, daß es sich um ein Mittel dei Propaganda in Ländern außerhalt des Ostblocks handelte.

Informationen aus dem Ostblock sind für ein solches Festival durchaus wertvoll. Es sollte jedoch eine andere und ehrlichere Form gefunden werden, solche Filme vorzustellen — vielleicht in einer noch zi schaffenden neuen Kategorie. Für das, was dort im stillen Kämmerleir geschaffen wird, gelten andere Bedingungen als für das, was Fernsehleute in westlichen Ländern auf dem freien Markt der Meinung „verkaufen“ müssen. Mancher Kirchenmann im Westen könnte sich versucht fühlen, solche Produktionen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit entstanden sind, als Maßstab zu setzen. Diese frommen Ghettofilme können letztlich für die Kirche gefährlicher sein als mancher kritische Streifen, der in unseren Ländern gedreht wird.

Dafür als Beispiel der niederländische Film „Ostern in Rumänien“, der in Salzburg sogar einen Preis erhielt. Ein technisch und künstlerisch guter Film, doch ohne jeden Hintergrund. Osterliturgie, Osterbräuche — das hätte man ebensogut in einem Dorf in Tirol oder Oberbayern drehen können. Alles an diesem Film stimmt; doch es ist nicht in die schwierige kirchliche Situation Rumäniens eingebunden. Hier werden die Proportionen verzerrt, weil die schlichte Frömmigkeit eines Dorfes nicht repräsentativ ist für die Lage der Kirche in diesem Land.

„Ostern in Rumänien“ erhielt einen der beiden Preise in der Kategorie der Dokumentarprogramme; der andere fiel an den ZDF-Streifen „Noch 16 Tage“, und bei dieser Jury-Entscheidung war die Zustimmung einheitlicher. Einen Preis erhielt der britische Ballettfilm „Kontakion“, und zwar in der Kategorie „Liturgie und Meditation“.

Österreich war in Salzburg mit zwei Beiträgen vertreten: „Die Nassen“ in der Kategorie „Liturgie und Meditation“ und „Ein Haus allein genügt nicht“ (Kinder- und Jugendprogramme). Keiner der beiden Filme konnte eine Anerkennung der Jury einbringen.

Mit einiger Verwunderung registrierte man die Entscheidung der österreichischen Bischofskonferenz, die den von ihr gestifteten Sonderpreis dem schwedischen Antikriegs-film „Schieß im Namen Jesu“ zuerkannte, einem Streifen, dessen antiwestliche Einseitigkeit bei größtem Wohlwollen nicht zu übersehen war. Der Preis des Verbands katholischer Publizisten Österreichs ging an den jugoslawischen Beitrag „Die Honigwabe“, der Sonderpreis des Landes Salzburg an die niederländische Produktion „Du lieber Himmel“.

Die Preise, die nicht verliehen wurden, legen den Schluß nahe, daß man trotz des umfangreichen Angebots — zumindest in einigen Kategorien — nach Qualität mit der Lupe suchen mußte. „Die Internationale Christliche Fernsehwoche hat sich als Institution etabliert“, heißt es im Bericht der Jury. Sie hat sich auch als Markt für die kollegiale Information und als Ort des Meinungsaustausches bewährt. Sie sollte sich jedoch nichl allzu „etabliert“ fühlen; denn bis jetzt steht nur die Institution. Als Festival blieb Salzburg bereits hinter Baden-Baden zurück. Falls Brighton, wo man sich 1975 wieder treffen wjll, keine qualitativen und möglichst auch organisatorischen und formalen Verbesserungen bringt könnte das Interesse derer, die es angeht, nachlassen.

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