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Wahlen im argentinischen Hexenkessel

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Aus Caracas dirigiert Perön die Untergrundtätigkeit. Ein Kurier der argentinischen Revolutionsregierung bringt sechs große Koffer mit Beweismaterial nach Rio. In Südbrasilien wird eine Verschwörergruppe verhaftet. Die pero- nistische Frauen„führerin" Dr. Elicia Eguren, 19 Monate ohne richterlichen Haftbefehl im Frauengefängnis, wird an Bord eines französischen Dampfers nach Spanien deportiert. Aber schon nach sieben Stunden Fahrt sucht sie — am Kai von den Leitern der Montevideaner Emigrantenzelle erwartet — in Montevideo Asyl und erklärt, daß Perön bald zurückkehren werde. Am ersten Jahrestag der gescheiterten peronisrischen Gegenrevolution unternehmen sie einen „Schweigemarsch“ zum Nationaldenkmal in der uruguayischen Hauptstadt, während dieselbe Aktion in Buenos Aires von der Polizei verboten und mit Tränengas und vielen Verhaftungen aufgelöst wird. Während täglich immer neue peronisrische Bomben in Buenos Aires, Cordoba und anderen argentinischen Städten explodieren und auch sonst Sabotage- und Terrorakte am laufenden Band (zum großen Teil von den Nachbarstaaten aus?) organisiert werden, dürfen wieder (neue) peronisrische und faschistische („Azul-y-Blanco“: „Blau-und-weiß“-) Zeitungen in Buenos Aires erscheinen, Die peronisrische Partei ist verboten. Aber unter den į 25 (!) Parteien, die vom Wahlgericht zugelassen sind, "tfnd'deffT4', die auf Zulassung yrarte’C gibt es fünf neOperonistische (sie haben das PP vom Partido Peronista übernommen, nennen sich zum Beispiel „Partido Populistą“), werden aber auch aus den eigenen Reihen als rein opportunistisch mit Mißtrauen behandelt.

Am 28. Juli 1957 sollen 205 Mitglieder für eine „Verfassungsändernde Versammlung" („Convenciön Nacional Reformadora“) gewählt werden. Die „provisorische Revolutionsregierung“ hat die Vollmacht dieser Versammlung bei ihrer Einberufung eng begrenzt. Nach Peröns Sturz setzte sie seine Verfassung (1949) außer und die alte (seit 18 53 oft reformiert) in Kraft.

Sie will eine neue Diktatur (auf legalem Wege) verhindern. Deshalb sollen die weitreichenden Vollmachten des argentinischen Staatspräsidenten ‘ eingeengt, seine Wiederwahl verboten und eine weitgehende Dezentralisierung erreicht werden. Außerdem soll das Verhältniswahlsystem, das die Revolutionsregierung schon für diese Wahlen statt des bisherigen Zweiparteiensystems durch Dekret verfügt hat, in der Verfassung verankert werden. Der Ausgang der Wahlen ist so ungewiß wie das Schicksal der zu wählenden Versammlung. Im Jahre 1952 bekam Perön 68 Prozent der abgegebenen Stimmen, um die deshalb ein Wahrer Wettbewerb auch unter den bisher scharf antiperonistischen Parteien eingesetzt hat. Die einzige große Oppositionspartei, die liberale „Union C’ivica Radical“ ist in sieben Fraktionen — teils für, teils gegen die Revolutionsrėgierung — gespalten, von denen jede einen eigenen Kandidaten für die auf den 23. Februar 1958 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen aufstellt. Aber die einzige Persönlichkeit, der man Chancen gibt, ist der Präsident der „Radikalen“ (Fraktion: Intransigentes, der jeder Koalition Abgeneigten), Dr. Arturo F r o n d i z i. Er vermeidet den Kampf mit der Kirche, führt ihn aber gegen „Kapital“ und „Großgrundbesitzer“ und lehnt die (von der Revolutionsregierung organisierte) militärische Zusammenarbeit mit den USA ebenso ab wie die Ausbeutung des argentinischen Petroleums durch ausländische Trusts, in der neutrale Beobachter die einzige Rettung für die fast bankrotte argentinische Wirtschaft sehen.

Er hat als erster den Wettbewerb um die peronisrischen Stimmen mit dem Motto „Frieden ohne Rache“ begonnen, kann sich aber in seinen Hoffnungen betrogen sehen, weil die Perönisten jetzt die Abgabe eines weißen (nichtausgefüllten) Stimmzettels proklamieren.

Da die provisorische Militärregierung die Preise (nach dem Grundsatz der freien Wirtschaft) steigen, die Löhne aber einfrieren läßt, wird die Masse Parteien wählen, die,gegen das

Aramburu-Regime eingestellt sind. Deshalb ist es fraglich, ob die am 28. Juli zu wählende Versammlung die Verfassung ändert, und es besteht die Gefahr, daß sie die Autorität der De-facto-Militärregierung bestreitet, sie absetzt und sich für souverän erklärt. Dies wäre der Auftakt für eine neue Militärregierung — ohnt Aramburu, der sich zur Uebertragung der Macht auf die zivilen Gewalten feierlich und glaubhaft verpflichtet hat.

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