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Digital In Arbeit

Die beiden Retinas

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Das Auto und der Photoapparat sind die zwei am meisten gefragten technischen Geräte unserer Zeit. Während das Kraftfahrzeug in weitaus mehr Fällen, als es den Anschein haben mag, zu einem Hobby geworden ist, wurde der Photoapparat zu einem überwiegenden Teil ein außerordentlich beliebtes Gerät, das dem modernen Menschen zu einer anregenden und befriedigenden Freizeitgestaltung verhilft. Mit relativ wenig Mühe wird viel erreicht, und das Erreichte ist in den meisten Fällen — natürlich vom individuellen Standpunkt aus betrachtet — eine Augenweide über viele Jahre hinweg, ja für das ganze Leben.

Da nun der Laie am Photographieren solchen Gefallen findet, ist die zuständige Industrie bestrebt, Photoapparate und Zubehör herzustellen, das nicht nur höchste Präzision aufweist, sondern auch einfachste Bedienung ermöglicht. Dennoch soll aber der Benützer in die Lage versetzt werden, praktisch jeder Situation gewachsen zu sein. Ja, man ist heute schon fast so weit, daß es ohne große Mühe gelingt — Pardon! — einen Neger im finstern Keller zu photographieren, wenn er nur lacht. Tatsache ist jedenfalls, daß besonders empfindliche Filme Porträtaufnahmen bei Kerzenlicht oder einer Streichholzflamme ermöglichen. Aber auch der Farbfilm ist heute so weit vervollkommnet, daß er keinen Wunsch mehr offenläßt. Trotzdem sind die Optiken der modernen Kameras den Filmen immer noch etwas voraus, und der Käufer eines modernen Apparates braucht sich heute nicht zu sorgen, daß die Optik in den nächsten Jahren überholt sein könnte. Es könnte sich höchstens das Filmmaterial noch weiter verbessern, um endlich die zur Verfügung stehenden Optiken wirklich voll ausnützen zu können.

Die auf der Wiener Frühjahrsmesse gezeigte neue Retina Reflex S sowie die ebenfalls vor kurzem herausgebrachte Retina III S von Kodak sind Kameras, die wirklich das modernste darstellen, das derzeit auf dem Photomarkt zu erhalten ist. Wir selbst hatten Gelegenheit, die Retina III S zu testen. Dabei fällt vor allem die weit getriebene Automatik dieser Kamera auf. Die Firma war sichtlich bestrebt, die Arbeits vorgänge, die zur endgültigen Aufnahme führen, zu vereinfachen, indem man sie koppelt und damit so gestaltet, daß Fehlleistungen seitens des Apparats und damit natürlich auch des Photographen ausgeschaltet werden. Man benützt hierzu den Begriff „Belichtungsautomatik”. Worum handelt es sich nun hierbei?

Die Belichtungsautomatik der Retina III S bringt eine vor allem vom Laien als außerordentlich angenehm empfundene Vereinfachung und damit Beschleunigung, de,s Photographieren! mit sich, worauf es ja gerade oftmals besonders ankommt. Die „verpaßte Gelegenheit”, die Berufsphotograph wie Liebhaber so oft zu bedauern Gelegenheit haben, wird damit auf ein absolutes Minimum reduziert. Angenommen, man stellt auf die Zeit V125 sec. ein, |ine Zeit, die einerseits ein Verwackeln bei der Aufnahme ausschaltet, anderseits nicht allzu schnell bewegte Ziele konturenscharf festhält. Eine kleine Drehung an einer hierfür vorgesehenen geriffelten Taste an der Optikunterseite — und der Nachführzeiger wird mit dem Zeiger des Belichtungsmessers in Deckung gebracht. Damit stimmt auch schon die entsprechende Blende mit der eingestellten Zeit überein und eine Fehlbelichtung ist nunmehr ausgeschlossen.

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Ein Blick in den Sucher: Der eingespiegelte Leuchtrahmen gibt genau den Bildausschnitt -an, und der eingespiegelte Schnittbildentfernungs- messer ist gleichfalls mit einer kurzen Drehung an der Optik einzustellen, wobei gleichzeitig automatisch ein Parallaxenausgleich stattfindet. Daraufhin braucht nur noch auf den Auslöse- knopf gedrückt zu werden, und man kann sicher sein, eine einwandfreie Aufnahme in der Tasche zu haben. Sollte es sich um ein Motiv handeln, von dem man rasch zwei oder drei Aufnahmen hintereinander machen will, dann sorgt der Schnellaufzug für eine rasche Schußfolge der Kamera, wobei sie nicht einmal vom Auge genommen werden muß. Der Schnellaufzug transportiert den Film weiter und spannt den Verschluß. Eine Doppelbelichtungssperre verhindert eine etwa irrtümlich erfolgende doppelte Belichtung des Films. Wie man hieraus bereits entnehmen kann, ist diese Kamera nicht nur schnell, sondern notgedrungen auch äußerst präzise.

Das Bestreben, die moderne Kamera möglichst mit Wechselobjektiven auszustatten, da diese eine weitere Reihe von Möglichkeiten aufschließen, ist bei der Retina III S ebenfalls verwirklicht worden. Außer dem Normalobjektiv wurden noch zwei Weitwinkelobjektive, und zwar ein 35-mm- und ein 28-mm-Objektiv, sowie zwei Teleobjektive, ein 80-mm- und ein 135-mm- Objektiv, entwickelt. Beim Wechseln der Optiken ist ebenfalls jede Fehlerquelle von vornherein ausgeschaltet worden, da man keinen jeweils entsprechenden speziellen Sucher auf die Kamera aufzuschieben braucht. Es wird vielmehr für jedes Objektiv ein entsprechender Leuchtrahmen in den Sucher eingespiegelt, wodurch parallaxenfrei die jeweils richtige Bildbegrenzung automatisch gegeben ist. Die Schärfentiefe-braucht bei dieser Kamera ebenfalls nicht -von einem eigenen Schärfentiefenring oder einer unübersichtlichen’Schärfentiefenanzeige an der Optik abgelesen zu werden, was bekanntlich viel Zeit kostet. Bei der Retina III S geben zwei kleine Zeiger die Schärfentiefe für jede Optik genau an und sind jeweils auf ihr vorgesehen, so daß auch hier ein Blick genügt, um genau zu wissen, ob man in jenem Schärfentiefebereich ist, das man für die Aufnahme benötigt.’ Auch hier hat man es also wieder mit einem automatischen Vorgang zu tun, der Fehlerquellen ausschaltet und die Kamera rasch macht. Eine Zeit-BIenden-Kupplung ist ebenfalls vorgesehen. Wenn also die eingangs erwähnte Viss sec. für die betreffende Aufnahme zu kurz oder zu lang ist oder lpan über mehr oder weniger Schärfentiefenbereich verfügen will, genügt eine Drehung an den beiden Einstelltasten an der Optik, und schon verändern sich Zeit und Blende dergestalt, daß die richtige Belichtung abermals gewährleistet ist. Angenommen also, es ergibt sich Blende 8 bei 7m sec., das Objekt kann aber nur mit einer Zeit von V250 sec. richtig erfaßt werden, dann ergibt sich durch die Drehung an den Ausstelltasten bei Vm sec. automatisch die Blende 5,6.

Alle diese Vorteile, die durch Fehlerquellen ausschaltende automatische Vorgänge gewährleistet werden, bringen es mit sich, _daß unwiederbringliche Aufnahmen, die durch Nervosität oftmals weder rasch noch präzise gemacht werden konnten, auch jenem Benützer der Retina III S sicher sind, der vom Photographieren nur wenig Ahnung hat.

Zur Retina III S hat sich nunmehr die Retina Reflex S hinzugesellt, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert wie diese. Diese moderne Spiegelreflexkamera erlaubt ein noch sichereres Photographieren, da hierfür die sich als äußerst angenehm erweisende Mattscheibe garantiert. Wer gern zwei Kameras benützt oder dies etwa aus beruflichen Gründen benötigt, für den bietet sich hier der Vorteil, daß die Wechseloptiken für beide Kameras Verwendung finden können. Es ergibt sich daraus die sehr angenehme Möglichkeit, die eine Kamera mit einem Schwarzweißfilm, die andere mit einem Farbfilm zu bestücken, wodurch man praktisch für jede Gelegenheit ausgerüstet ist und trotzdem nur einmal die Ausgabe für die Wechselobjektive auf sich nehmen muß.

Beide Typen sind sehr schnell, präzise, in ihrer Bildschärfe hervorragend und in der Lage, alle an sie gestellten Forderungen voll zu erfüllen. Die Bildqualität der von uns gemachten Photos der getesteten Retina III S — seien es nun Schwarzweiß- od,er Farbbilder — läßt keinen Wunsch offen. Es ergab sich keine Situation, die mit diesem Apparat nicht in irgendeiner, aber stets befriedigenden Form hätte gelöst werden können. Als besonders angenehm erweist sich das Gefühl, daß man sicher sein kann, eine wirklich gute Aufnahme zu haben, sobald man den Auslöser betätigt. Dank dieser Kamera wartet man nicht mehr mit mehr oder weniger gemischten Gefühlen auf das Resultat, das erst der entwickelte Film offenbart. Wenn man darauf geachtet hat, alles, worauf man Wert legte, in den Sucher zu bekommen, dann entspricht das Bild genau dem, was man sich vorstellte und früher mit viel Optimismus erwartete — und das mag auch dem geübten Photographen so ergangen sein. Nach dem ersten Film, den man in” der Retina IILff’heruntetgekrrrpsr hat?”verliert man jede Unsicherheit, urtdffm der Folge gewinnt die bildwirksame Gestaltung des Motives bzw. die Suche nach dem Motiv immer mehr an Bedeutung. Die Konzentration und Aufmerksamkeit, die bisher zu einem großen Teil allein den mechanischen Forderungen des Apparates galt, kann nun voll und ganz auf die künstlerische Gestaltung eines Bildes verwendet werden.

Die unbedingte Sicherheit, die diese Kamera dem Photographen vermittelt, läßt auch ohne Bedenken vom Schwarzweiß- auf den Farbfilm übergehen, der ja bekanntlich wesentlich teurer ist, aber auch um vieles mehr zu bieten vermag. Viele Amateure werden auch heute noch an der Verwendung des Farbfilms vor allem durch ihre eigene Unsicherheit gehindert. Bei einer Kamera aber, die dafür garantiert, daß man bei zwanzig Aufnahmen auch wirklich zwanzig Bilder erhält, die einem Freude machen, werden auch ihre Bedenken schwinden.

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