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Kunst und Landschaft

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Kleine italienische Kunstgeschichte. Von Wolfgang Braunfels und Eckart P e t e r i c h. Verlag Otto Walter, Olten und Freiburg i. B. 194 Seiten, 32 Abbildungen. Fünfte Auflage, 1954. Preis 11.85 sfrs.

Wolfgang Braunfels, dem wir ein ausgezeichnetes W’erk über mittelalterliche Städtebaukunst in der Toskana verdanken (Berlin 1952), gibt gemeinsam mit Eckart Peterich ein kleines „Lese-, Lern- und Nachschlagebüchlein zur Geschichte der italienischen Kunst" heraus, von dem er selbst bekennt,

daß es „in denkbar bescheidener Absicht" verfaßt worden sei. Es enthält nicht etwa eine fortlaufende Darstellung dieses Themas, sondern 35 mo- saikhaft aneinandergereihte Skizzen, in denen die Verfasser auf je 4 bis 7 Druckseiten flüssig, anschaulich und wohlunterrichtet, bezeichnende Momente und Künstlerpersönlichkeiten aus der großartigen, unendlich komplexen Kunstentwicklung Italiens in Mittelalter und Neuzeit hervorheben. In diesem allzu engen Rahmen sind diese Essays für Fachleute und hochgebildete Kunstfreunde ge wiß anregend, aber für nicht vorgebildete eilige Leser zu wenig aufschlußreich; sie werfen weit mehr Fragen auf, als sie beantworten können. Nur ein genialer Geist könnte es leisten, auf einigen 30 Zeilen dem Laien Tizian oder Tintoretto lebensvoll zu schildern.

Ferner scheint uns, als sei in diesem Büchlein die Kunst der Toskana allzusehr als führend, als Norm betont. Unerwähnt bleibt, daß zum Beispiel Piemont, Friaul und Sizilien eine durchaus selbständige, höchstwertige, durchaus nicht „provinzielle" Kunst entwickelt haben, die unbedingt zum geistigen Bilde italienischen Schaffens gehören. Es fehlt dem kleinen Werke jene universelle Planung und Durcharbeitung, die es bildend machen könnten. Nicht durchaus glücklich war auch die Idee, ausnahmslos jeder kleinen Abhandlung als Vorspruch eine Aeußerung des betreffenden Künstlers selbst oder ein Urteil über ihn voranzustellen; wer vor dem Kapitel „Venezianische Klassik.“ (vier Seiten!) jene Verse Platens lesen sollte, in denen er von „dem treuen, vaterländischen Giorgione"singt, der wird vermutlich zu Burckhardts „Cicerone" greifen, der zwar vor 99 Jahren herauskam, aber noch heute die lauterste Quelle der Belehrung für jene bleibt, die sich mit Italiens Kunst ernsthaft befassen wollen . ..

Das Erbe in Denkmal und Landschaft. Von Karl Giannoni. Hippolyt-Verlag, Wien-Sankt Pölten-München. 75 Seiten, '23 Abbildungen.

Dieses Programm der Kulturpflege, das Giannoni bereits 1938 im Verlage Diederichs, Jena, veröffentlicht hatte, ist ein so lauteres, geistvolles Bekenntnis zur geschichtlichen Größe österreichischer Kunst und mahnt so eindringlich zu deren Betreuung und Fortentwicklung im Rahmen der heimatlichen Landschaft, daß eine neue, reicher bebilderte Ausgabe des klassischen Büchleins wirklich notwendig war; denn jenes kulturelle Verantwortungsbewußtsein, welches den Verfasser zum Bahnbrecher der Heimatpflege werden ließ, sollte unbedingt sich in Haltung und Tun jedes Oesterreichers auswirken: Wir sind nur dann Kulturmenschen, wenn wir das heimische Kunsterbe uns geistig zu eigen machen und pflegen.

Der Text des vor 16 Jahren verfaßten Werkel hätte allerdings einer Ueberarbeitung bedurft, um heute nicht stellenweise mißverstanden zu werden. Der Verfasser verwendete z. B. das heute viel gebrauchte Wort „Volkskunst" in anderem Sinne, als wir es nun benützen; wenn er Seite 52 schreibt: „Die Gotik war in Oesterreich zur Volkskunst geworden", so meinte er offenbar „volksnahe Hochkunst" und dachte keineswegs daran, künstlerische Rangordnungen zu ignorieren und die Volkskunst der Hohen Kunst als gleichwertig an die Seite zu stellen. Ebenso mißverständlich bleibt für Laien Giannonis Ausdruck (Seite 63), daß die frühbarocke Bildnerei in heimischen Landkirchen „in der gotischen Formenwelt" beharrte.

Die große geschichtliche Schau, aus der Giannoni schrieb, und die Fülle eigenster Erkenntnisse, mit denen sein kulturpolitisches Vermächtnis gesättigt ist, erheben dieses zu einem Dokument österreichischen Traditionsbewußtseins, das über räumliche und zeitliche Schranken hinweg seine Bedeutung behalten wird.

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