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Licht ist „lebendiges Material“

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Endlich scheinen die Photographen zu begreifen, daß es für die neue Photographie nur auf eines ankommt: aufs Detail. Dieses abzusondern, dieses deutlich zu machen, dieses hervorzuheben aus dem Wust der Ansichtskartenschönheiten, darauf allein kommt es an. Man kann hier so weit gehen, zu sagen: Jedes Detail ist Kunst. So leicht hat es die Photographie, deren eigenste Aufgabe es ist, das Licht in seinen tausendfältigen Auswirkungen in der sichtbaren Umwelt bewußt zu benutzen und aus den besonderen „photographischen“ Mitteln, die die Malerei nicht hat, ihre Schöpfungen zu entwickeln und auch die Gesetzlichkeit der neuen Lichtbildnerei geistig zu vertiefen.

In einer Zeit, in der die Photographie eine von zahlreichen Laien geübte Kunstfertigkeit wurde, ist es interessant, die Arbeiten der Photo-Handwerker zu betrachten, wozu uns dieser Tage in Graz eine Schau von annähernd 350 ausgewählten Arbeiten Gelegenheit gab. Das gleichmäßig hohe Niveau der vom Grazer Bühnenarchitekten Brousek mit verhältnismäßig einfachen Mitteln sehr geschmackvoll gestalteten Ausstellung — sie stand unter dem Motto: „Berufsphotographen Oesterreichs stellen aus“ — war vor allem in der Einheit von Inhalt und Form deutlich. Man sah ausgezeichnete Bilder von der weichen Hell-dunkel-Wirkung der Nachfahren des Impressionismus bis zur ruhigen Klarheit „neuer Sachlichkeit“, fand ein liebevolles Versenken in das Wesen der Dinge und tunlichste Vermeidung dessen, was dem Gemälde sein Gepräge verleiht. Das soll nun nicht heißen, daß sich die heutigen Berufsphotographen Oesterreichs nur in vorgezeichneten Bahnen bewegen. Einmal befinden sich manche unter ihnen, die im Grunde nur die überwundene „Kunstphotographie“ alten Stils oberflächlich modernisiert haben und sich ausschließlich von der Merkwürdigkeit eines Sujet, von seinem Symbolgehalt oder Gleichnischarakter fesseln ließen. Die meisten jedoch experimentieren und „vergreifen“ sich herzhaft an den überlieferten Grundsätzen des Photohandwerks, entdecken im Bekannten das Unbekannte, sehen das Gegensätzliche in seiner inneren Verwandtschaft, machen das Detail zum Träger der Wirkung und haben, was das Wichtigste ist, den Respekt vor allen „Zufälligkeiten“ des Objekts. Denn im Gegensatz zur „Kunst“ will ja die Photographie — daher ihre überragende Rolle von heute — nur Wahrheit, nur Echtheit, nur harten Bericht, ohne Stellungnahme, ohne Gefühl. Die Photographie ist „sachlich“, ob sie es will oder nicht. Deshalb braucht sie noch lange nicht ungeistig zu sein. Dieses Experimentieren ließ einige der Photokünstler sogar auf neue Beute ausziehen, jenseits dessen, was das menschliche Auge sieht; sie wurden Verbündete der Surrealisten. Bezeichnend ist ferner, daß nur ganz wenige in diesem ausgesuchten Kreise sich des Farbphotos bedienten. Sollte damit die Bedeutungslosigkeit der Farbe für das künstlerische Lichtbild ausgesprochen werden?

Interessant auch die Photogramme und Photomontagen, die ra sehen waren. Daß sich die industrielle Werbung seit längerem der Photomontage bedient, weist auf große praktische Möglichkeiten hin. Jedenfalls lohnt es sich, diese reizvollen Experimente zu pflegen, auch wenn man sie nicht recht klassifizieren kann. Helfried P a t x

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