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Musik—sichtbar gemacht?

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Das paradoxe und interessante Bestreben, Töne in Farben zu übersetzen, Musik sichtbar zu machen, hält seit anderthalb Jahrhunderten unvermindert an. Philipp Otto Runges romantische Malerei war der erste, des abstrakten Malers Kandinsky Theorien aber wohl kaum der letzte Beweis dafür; von den synästhetischen Träumen der Romantiker, in denen Töne, Düfte und Farben „unnennbar“ zu einem simultanen Sinneseindruck verschmolzen, zieht sich über die Ausbrüche der Expressionisten, die in Schrecksekunden die Erde sich bäumen, die Bäume „schreien“ und die Schreie „versteinen“ sahen und hörten, bis zu den Produktionen vieler Moderner eine gerade Linie, an deren Ende auch die musikillustrierenden Trickfilme Disneys und die immer wieder auftauchenden Farbklaviere und Leuchtorgeln ihren Platz haben. Was liegt solchen Bestrebungen zugrunde? Meistens wahrscheinlich, bewußt oder unbewußt, doch die ernste oder durch Phantastereien korrumpierte Sehnsucht nach dem großen Gesamtkunstwerk; öfter einfach das Vergnügen an neuen Genüssen, die intellektuelle Freude am raffinierten Paradox — und bisweilen audi die Meinung, daß der Mensch, der synästhe-tisch wahrnehmen könne, auch erkenntnisfähiger sei. Weshalb es denn auch nicht weiter wundernimmt, wenn entsprechende Theorien in sektiererhaften Zirkeln begeisterte Aufnahme finden und fast kultischen Charakter gewinnen.

Nun, die Ziele, welche von der „Arbeitsgemeinschaft für musikalische Graphik“ — deren Arbeiten in den Foyers des Wiener Konzerthauses zu sehen sind — verfolgt werden, sind offensichtlich bescheidener. Indem sie Interessierte, Kinder und Erwachsene, unter dem Eindruck von Musik zeichnen oder malen läßt, will sie beweisen, daß die Musik, als Stimulans verwendet, in jedem Menschen verborgene schöpferische Begabungen wecken könne; daher schlägt sie neue Wege der Kunsterziehung in den Schulen vor. Audi hofft sie, durch Sammlung reichen Materials Kunsttheoretikern, Psychologen und Parapsychologen Stoff zur Forschung überweisen zu können, vor allem aber gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen Musik und Malerei experimentell zu belegen.

Man muß zugeben, daß das offenherzige Bekenntnis zum Experiment sympathisch wirkt — freilich auch eingestehen, daß das Ausgestellte nicht gänzlich zu überzeugen vermag: die vielen Pastellblätter haben mit fast allen abstrakten Bildern die Monotonie im Formalen und im Einfall gemein, die Methodik, der sie ihr Entstehen verdanken, bleibt unklar, und unter den Kinderarbeiten tragen manche die Spuren sehr unkindlicher Mani-riertheit. Dennoch bleiben einige Blätter, die auch an anderer Stelle- in Ehren bestehen könnten, und der Gesamteindruck einer über-legenswerten Ausstellung zurück.

Neben einer gut arrangierten und sehr vergnüglichen Modellbauaustellung — wer könnte schließlich ungerührten Herzens an Miniatureisenbahnen vorbeigehen? — ist im Künstlerhaus eine kleine Kollektion von Bildern zu sehen, die Peter Prinz als Begleiter einer studentischen Unterwasserexpedition an den italienischen Küsten malte, zum Teil nach Skizzen, die in einer vertrackten Technik buchstäblich unter Wasser angefertigt wurden: sehr ansprechende und gescheite Blätter, die im Graphischen ein wenig von Schiele beeinflußt sind und von ausgezeichneten Photos gut ergänzt werden.

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