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Die brennende Frage

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Die Nationalitätenfrage im alten Oesterreich. Das Problem der konstruktiven Reichsgestaltung. Von Hugo H a n t s c h. Band I der „Wiener Historischen Studien“, herausgegeben von K. Eder, H. Hantsch und H. Kramer. Verlag Herold, Wien ß>53. 124 Seiten. Preis 32 S.

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Die Nationalitätenfrage im alten Oesterreich. Das Problem der konstruktiven Reichsgestaltung. Von Hugo H a n t s c h. Band I der „Wiener Historischen Studien“, herausgegeben von K. Eder, H. Hantsch und H. Kramer. Verlag Herold, Wien ß>53. 124 Seiten. Preis 32 S.

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Es kommt in der heutigen bewegten Zeit nicht selten vor, daß plötzlich brennende Fragen auftauchen, die sehr bald wieder unaktuell werden und an Interesse verlieren — auf der anderen Seite gibt es alte Probleme, von denen man meinen möchte, daß sie längst gelöst sein müßten, die aber nicht zur Ruhe kommen wollen und die die Geister noch und noch beschäftigen. Mit dem Zusammenbruch der faschistischen Staaten war der Nationalismus keineswegs tot und die Nationalitätenfrage hat an Aktualität nur gewonnen und wird noch gewinnen.

Merkwürdig! — Auch unter den Schicksalsfragen des alten Oesterreich ist es in erster Linie das Nationalitätenproblem, das die Historiker durch alle Länder vom fernen Westen bis zum fernen Osten immer, wieder beschäftigt. Oesterreich darf in diesem Konzert nicht schweigen, wenn es uns auch in der heutigen Lage besonders schwerfallen mag, zu unserer Vergangenheit ein lebendiges Verhältnis zu gewinnen. Die Baumkrone soll nicht so tun, als ob sie imstande wäre, im luftleeren Raum zu leben, nachdem der Stamm abgesägt wurde. Nur die Wurzel, wenn sie entsprechend gepflegt wird, ist imstande, neue Triebe und neue Blüten hervorzubringen. Diese Gärtnerarbeit, die Pflege der Wurzel, ist die Aufgabe der Historiker.

Die „Wiener Historischen Studien“, deren erstes Heft hier vorliegt, sind als Forschungsarbeit gedacht, die in das Verständnis des alten Oesterreich einführen sollen. Die führenden Neuzeithistoriker in Graz, Wien und Innsbruck sind ihre Herausgeber. Klar hat Hugo Hantsch das Ziel dieser Arbeit umrissen. Die Stimmen österreichischer und ausländischer Denker machen deutlich, daß neue, bahnbrechende Anschauungen über Vergangenheit, Tradition und Zukunftsaufgaben im Entstehen sind. Wie ein Spiegel wird das Schicksal des alten Oesterreich dem jetzigen Europa vor Augen gehalten.

Die vorliegende Darstellung selbst bringt die schwierige Aufgabe fertig, in acht übersichtlichen Kapiteln auf etwa 120 Seiten ein gigantisches Problem wirklich zu meistern. Sie nimmt ihren Ausgang vom Donauraum, dem Lebens- und Schicksalsraum der alten österreichischen Großmacht. Sie schildert, wie die Völker in diesem Raum hineingewachsen sind und wie sich ihre Lage zueinander bis 1918 nur wenig verändert hat. Zu dramatischer Spannung gelangte das Problem 1848 und später, im Zeitalter des Dualismus und im Zeitalter der großen parlamentarischen Parteien, besonders der Sozialdemokraten und der Christlichsozialen. Dieses Buch ist der kleine, aber vollständige Abriß einer Lebensarbeit des Autors. Neue Erkenntnisse und alte, halbvergessene Tatsachen, Verfassungsund Kulturfragen, geographische und statistische Probleme gruppieren sich um das eigentliche Thema, das wie ein roter Faden die Jahrhunderte durchzieht. Der klare, verständliche Stil, der wie ein freundlicher Bach über die Spuren' wilder, geologischer Erschütterungen dahinfließt, sagt nur dem Kenner, welch tiefschürfende Arbeit in dem Büchlein steckt. „Das Problem der konstruktiven Reichsgestaltung“ ist wirklich deutlich geworden. Es war nicht leicht, mit dem Bekenntnis zum großösterreichischen Staatsgedanken objektive Haltung gegenüber allen Parteien, allen Nationen und allen sozialen Strömungen im alten Oesterreich zu verbinden. Wir halten es für möglich, daß dieser oder jener Kritiker, besonders aus Oesterreichs Nachbarländern einen oder den anderen Einwand vorbringt. Vielleicht werden dann gerade diese Stimmen — zusammen mit dem Buche selbst — die Basis einer Diskussion bilden, die sich für alle Nationen und für ganz Europa fruchtbar gestalten könnte.

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