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Diplomatie unserer Zeit

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BEITRÄGE AUS DEM INTERNATIONALEN DIPLOMATENSEMINAR KLESSHEIM. Herausgegeben von Karl B r a u n i a s und Gerald S t o u r z h. Verlag Styria, Graz-Wien. 330 Seiten

Die tiefgreifenden politischen Wandlungen der letzten Jahrzehnte haben vor der Apparatur und der Methodik zwischenstaatlicher Beziehungen nicht haltgemacht. War bis vor etwa fünfzig Jahren das hinter verschlossenen Türen geführte Gespräch eines Gesandten mit dem Außenminister der Regierung, bei der er akkreditiert war, das normale und traditionelle Medium, um zur Lösung einer zwischenstaatlichen Frage zu gelangen, so ist diese nach dem ersten Weltkrieg als Ursache aller Übel angeprangerte „Geheimdiplomatie“ seither allmählich durch die heute weithin übliche, auf propagandistische Massenwirkung ausgerichtete Reise- und Konferenzdiplomatie verdrängt worden. Wohin das führen kann, hat das groteske Schauspiel des verunglückten Pariser Vierertreffens „auf höchster Ebene“ mit hinreichender Deutlichkeit gezeigt. Trotzdem ist die Hoffnung auf Abkehr von dieser modernen Art der Behandlung zwischenstaatlicher Probleme gering. Ob sie in jedem einzelnen Fall wirklich glauben, eine Angelegenheit, die offenbar mit viel mehr Aussicht auf einen guten Erfolg der diskreten Arbeit des Berufsdiplomaten zu überlassen wäre, durch ihr persönliches Auftreten und Verhandeln zu fördern, die Außenminister sind eben heutzutage fast durchweg, und oft in erster Lirie, Parteipolitiker, und als solche betrachten sie fleißiges Reisen, Besuche und Gegenbesuche ausländischer Kollegen, im Scheinwerferlicht der breitesten Öffentlichkeit abgehaltene Konferenzen, als unerläßlich, um den Ruf ihrer Leistungen und damit auch das Prestige der politischen Partei, deren Exponenten sie sind, zu erhöhen. Das bedeutet aber keineswegs, daß ständige Gesandtschaften und Botschaften ihrer eigentlichen Funktion entkleidet wären und, wie man mitunter zu hören bekommt, hauptsächlich nur noch damit beschäftigt seien, die ministerielle Post weiterzuleiten und Cocktailparties, Dinners und ähnliche gesellschaftliche Zusammenkünfte zu veranstalten. Im Gegenteil, die ursprünglichste und eine der beiden wesentlichsten Aufgaben einer ständigen diplomatischen Auslandsmission, die Berichterstattung über das Land, in welchem sie etabliert ist, hat an Wichtigkeit nichts eingebüßt, sie ist nur ungleich schwieriger geworden; zum Teil wegen der Vielzahl und dem zunehmend komplexen Charakter der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Momente, die in unserer Zeit bei einer gründlichen Erfüllung dieser Aufgabe zu berücksichtigen sind, teils auch Infolge des eingetretenen Verlusts der gemeinsamen Sprache, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, die früher das fast ausschließlich aus Mitgliedern der großen internationalen Familie des Adels zusammengesetzte diplomatische Korps gekennzeichnet hatte. Schon der eingeführte Gebrauch der verschiedensten Idiome im diplomatischen Verkehr, den in der Ver-, gangenheit das Französische allein beherrschte, und die sich ergebende Notwendigkeit der Heranziehung von Übersetzern oder Dolmetschern verursachen nur allzu leicht Mißverständnisse und sonstige Störungen, die es früher nicht gegeben hat. Eine möglichst umfassende Ausbildung des diplomatischen Nachwuchses erscheint daher mehr denn je geboten, und das ist auch der Zweck, dem das vor drei Jahren eröffnete Internationale Diplomatenseminar auf Schloß Kleßheim dienen will. „Diplomatie unserer Zeit“ enthält eine Reihe von Vorträgen in der Originalsprache, die dort von berufenen Persönlichkeiten — sie repräsentieren fast alle großen Nationen des Westens — 1958 gehalten worden sind. Wenn man einzelne dieser Vorlesungen als besonders bemerkenswert und interessant hervorheben darf, so wären es die des italienischen Botschafters in Bonn, Pietro Quaroni, sowie die der Österreicher Josef Schöner, Botschafter in Paris, und A. C. Breycha-Vauthier, des bekannten Historikers und Cheflnbliothekars der Vereinten Nationen. Man möchte wünschen, daß dieses wertvolle Buch nicht nur von Diplomaten, sondern auch von allen Politikern, die sich auf eigene Faust in außenpolitischen Aktionen versuchen, einem aufmerksamen Studium unterzogen würde.

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