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Fortsclir eiten Je Verdummung
In einer Zeitschrift, die in Bombay in englischer Sprache erscheint, fand ich einen Beitrag aus Nizza, gezeichnet „Auranartda“, der mir beachtenswert scheint. Der Verfasser, offenbar ein junger Inder von hoher Kultur, erklärt, daß die westlichen Völker, die europäischen wie die amerikanischen, nachdem sie durch viele Jahrhunderte die Vertreter der höchsten schöpferischen und kritischen Geisteskräfte waren, heutzutage den erschreckenden Eindruck völliger Verdummung machen, einen Eindruck, der von Jahr zu Jahr sich noch mehr verdeutlicht und vertieft. Aurananda verzeichnet mit Schärfe, aber ganz vorurteilslos Anzeichen und Erweise dieses allgemeinen Verfalls und zählt dann die hauptsächlichsten Gründe für ein so unerwartetes Phänomen auf. Seines Eraktens sind es folgende:
1. Die illustrierten Wochenblätter, die sich fast ausschließlich mit mondänen Skandalgeschichten, mit Verbrechen und Absonderlichkeiten befassen, wobei Bildphotos zu den vorgebrachten Gedanken und Diskussionen die Hauptrolle spielen.
2. Das Kino, das die große Masse des Mittelstandes und des Proletariats durch
Schaustücke von grober Gemeinheit, von blöder Sentimentalität, von falschem Luxus verroht, und ganz allgemein das Leben albern, gekünstelt und anspruchsvoll darstellt. Auch das Kino fördert die gefahrbringende Unterschiebung des Schauens an die Stelle des Denkens.
3. Der Sport, der ganz offensichtlich eine Ueberbetonung der rein physischen, der muskulären Kräfte gegenüber den moralisken und geistigen Werten schafft.
4. Die in allen Gesellschaftsschichten immer mehr um sich greifende Verbreitung der Rauschgifte (Opium, Morphium, Kokain und so weiter), die eine Umnebelung und Abstumpfung der tieferen Seelenkräfte verursachen und ganze Generationen von Narren. Schwachsinnigen und Neurotikern heraufführen werden.
5. Der stetig zunehmende, insbesondere unter Halbwüchsigen und Jugendlichen zunehmende übermäßige Genuß alkoholhältiger, erregender Getränke.
6. Die allgemeine Mode der Tänze und cfcr Musikwerke von primitiven und wilden Völkern, die hirnverdummend und willensschwächend wirkt und die Sinne zu ent-nervenden Piroxysmen lufpeioeht. Auch das Tanzen begünstigt den Sinn für das Muskuläre und stachelt die Geschlechtlichkeit an, lum Schaden jeglicher höheren geistigen Betätigung.
7. Der Rundfunk, der hauptsächlich Musik überträgt, gewöhnlich schlechte Musik, und die meisten Hörer zu krankhaft erschreckenden Hirnträumen verlockt und vom Studieren abhält, aber auch von der Meditation und der Uebung richtigen Denkens.
8. Die übergroße Rolle, die im Leben der Westvölker gegenwärtig den Kindern, den Frauen und den Handarbeitern (diesen drei Beherrschern der heutigen Zeit) zufällt, also just denjenigen Vertretern der Menschheit,
die einer tiefen, anhaltenden Denkarbeit weniger fähig sind.
Aurananda verwundert sich darüber, daß die führenden Köpfe in Europa und Amerika sieh keine Gedanken über diese zunehmende Verdummung ihrer Völker machen und sich in keiner Weise bemühen, sie einzudämmen öder aufzuhalten. Die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren auf meinen Reisen im Bereich dieser Völker gemacht habe, bestätigen vollauf die Schlußfolgerungen des Aufsatzei, den ich in Heft 76 der Zeitschrift „Maya las. Aber wer liest denn in Paris oder in New York diese kleine Zeitschrift, die junge Inder herausgeben?
Aus „Das schwarze Buch", Verlag Hereld, Wien
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