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Nachmittag im Rokokopark

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Als Theaterrezensent kommt man gern nach Melk, verbinden sich doch mit dem bezaubernden Pavillon im Stiftspark Erinnerungen an heitere sommerliche Spätnachmittage im Zeichen Shakespeares. Nun, diesmal war wohl der Himmel über Melk gewitterig eingetrübt, nicht aber die Stimmung der Akteure und der Zuschauer. Wir sahen ‘„Wie es euch gefällt”, jene Komödie, die man, um ein Wort Reinhardts abzüwandeln, als einen der großen Glücksfälle des poetischen Theaters bezeichnen kann, aufs glücklichste auch übertragen von August Wilhelm von Schlegel. Der Regisseur, Peter Janisch, kleidete diese Komödie des Menschlichen und allzu Menschlichen, aus dem Höfischen und dem Idyllischen verwoben und mit einer tüchtigen Prise kräftigen Humors versetzt, ins Gewand des Rokokos, ins Kostüm des Schäferspiels, Shakespeare kommt uns in weißer Perücke und Schnallenschuhen, und sein Ardenner Wald scheint an die Gefilde Rousseaus zu grenzen.

Anmutig und voll Esprit dargeboten, ziehen die Geschehnisse um Rosalinden und ihren Orlando vorüber, ohne Stok- kung schließt sich der Reigen der Szenen in buntem Wechsel zwischen fürstlichem Palast und den Wäldesgründen, „fern vom Hof, in holder Einsamkeit”. (Vor dem ‘ Melker Pavillon begnügt, man sich mit einigen gelungenen Andeutungen der Schauplätze.)

Nun, da es gilt, die Akteure zu loben, muß füglich Inge Rosenberg an erster Stelle genannt werden; ihre Rosalinde strahlt den Zauber des dichterisch überhöhten Mädchenbildes aus und findet sich gleicherweise, angetan mit Wams und Hosen, voll burschikoser Freude in die listige Verstellung. Lona Dubois verleiht der Celia allen Charme eines fröhlichen blonden Mädchens. Aufrecht, männlich und edel — auch im Exil: Tino Schubert als verbannter Herzog. Nobel in Spiel und Erscheinung Gustav Elger, sein Usurpator ist eher ein absolutistischer Rokokosouverän denn ein verblendeter Wüterich. Mit dem ungleichen Brüderpaar Oliver und Orlando klingt fast ein Thema aus der Sturm- und Drangzeit an, Albtecht Rueprecht läßt in der Shake- spearischen Poesie zuweilen Schillersches Feuer aufleuchten, Aladar Kunrad hält sich klug von jeder Schabionisierung der Figur des bösen Bruders fern. Eine un- gemein reife, geschlossene Leistung, verdientermaßen des öfteren mit Szenen applaus bedacht, ist der Jacques von Peter Gerhard, ein philosophischer Kavalier des Ancien regime, der seine Betrachtungen überlegen in die Schatten spricht, die das Sterben des Rokokos ankündigen, während Norbert Kammil sehr vergnüglich als alberner Höfling Le Beau einhertänzelt, eine bloße Schnörkel von einem Menschen mit einem Schmetterlingsgehirn. Als Narr Probatem, ein Filou in bunter Jacke, zwischen Spitzfindigkeiten und herzhaftem ländlichem Scherz wechselnd, erfreut Fritz Holzer durch sein echtes, differenziertes Komödiantentum. Karl Augustin, Elisabeth Terval, Adolf Lukan und Rosmarie Müller gehören zu den freundlichen Bewohnern des Ardenner Waldes. Norbert Pawlicki schrieb eine sehr ansprechende Bühnenmusik, die er — ebenfalls in Kostüm und Perücke — mit seiner kleinen Besetzung sehr animiert zu Gehör Narr KarrikaJurt Winnie Jakob brachte. Magda Strehly wählte geschickt aus dem Fundus die passenden Kostüme. Das Publikum dankte am Schluß der Aufführung anhaltend „mit gewog’nen Händen” und nahm sich ge- wiß für den nächsten Sommer schon jetzt vor: Retournons ä Melk!

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