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Sender und Hörer

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Über die Aufgaben des Radio und den Wert der Sendungen sind die Meinungen ebenso geteilt und vielfach gegensätzlich als etwa über Presse, Bühne und Film. Die einen wollen Kunst, die anderen Unterhaltung, die einen Kultur, die anderen Spaß, die einen Anregung, die andern Entspannung. Begreiflicherweise hängt die Hauptschwierigkeit der Programmbildung an dem Versuch, allen Wünschen tunlichst zu entsprechen und dabei den bildnerischen und repräsentativen Aufgaben des Staates und Volkes gerecht zu werden. Der Grundsatz „Für jeden etwas" wird sich, räumlich gedacht, zweifellos bewähren, zeitlich aber im Rahmen einer Sendung unbedingt versagen. Denn die repräsentative, künstlerische, volksbildende, die entspannende und unterhaltende, die internationale und die lokalhistörische Komponente können nicht gleichzeitig, sondern nur nebeneinander zu unmittelbarem Ausdruck kommen. Dennodi soll jede einzelne Sendung den österreichischen Gedanken als schöpferischen, bewahrenden oder vermittelnden Impetus manifestieren und in ihm, auch noch als leichteste Entspannung, ethisch fundiert sein. Das bedingt eine universelle, weitgespannte und verantwortungsbewmßte Pro grammgestaltung.

Darüber hinaus ist die Qualität der Ausführung zu fordern. Durchschnittsleistungen genügen nicht. Ihrer Natur nach ist jede Sendung eine Propaganda für das Gebotene und für den Ausführenden. Diese kann nicht mit untauglichen Mitteln geschehen. Halbe Leistungen diskreditieren den Sender auch in seinen einwandfreien Darbietungen erwecken das MißtraueriAund verringern die Gefolgschaft. Kritische Meinungsäußerungen aus Hörerkreisen sind allerdings in der Regel schlechte Anhaltspunkte, da der geistige Mensch nur selten Besdawerdebriefe schreibt, während der bloße Unterhaltungshörer jeden Heurigendudler reklamiert, wenn er einmal durch etwas Besseres ersetzt wird. Aufklärungen über die Aufgaben des Radio durch das Radio selbst sollten periodisch gesendet und an markanten Programmen demonstriert werden, eine Rechenschaft für den Hörer und zugleich eine Erziehung zum Bewußtsein der Gemeinschaft, das über dem „Für-jeden-etwas“-Prinzip stehen muß.

In wissenschaftlichen, musikalischen und literarischen Sendefolgen wird mit mehr oder weniger Glück versucht, den hohen und vielfältigen Anforderungen zu entsprechen. Sendereihen, wie die „Moderne Stunde“, die „Kammermusikwerke Mozarts“ oder das leider nicht mehr fortgesetzte „österreichische Musikfeuilleton", haben an sich unbestritten große kulturpolitische und volkserzieherische Bedeutung; in nicht geringerem Maße Schulfunk, Radiobühne und anderes. Die Übertragungen von Opern und Symphoniekonzerten vermitteln einem am Besuch der Aufführungen verhinderten Publikum, also vor allem dem Nichtgroßstädter, Spitzenleistungen der Gegenwart. Problematischer erscheint uns die Progrämmführung der Unterhaltungsmusik, deren Sendungen unseres Ermessens keine übergeordnete Idee zugrunde liegt. Hier muß darauf verwiesen werden, daß auch die leichteste Musik eine recht ernste Kunst ist und sich dessen bewußt sein muß. Wo sie aufhört, Kunst zu sein, ist auch die repräsentative, volksbildnerische und schlechthin volkstümliche Note falsch und verdient die Verbreitung, vor allem die Propagierung, nicht. Gerade die leichte Muse hat in unserer Zeit besondere Aufgaben zu erfüllen, soll dem Humor und dem Witz nicht aber der Zote und der Grimasse die Türen öffnen, Entspannung im natürlichen und gesunden, nicht aber in anarchischem Sinne sein, soll das Gemüt aufrufen, nicht die Rührseligkeit, das Herz erfreuen und nicht verderben. Wir wollen kein Pensionatsniveau, aber wir wollen Haltung, so wie wir in Ausstellungen künstlerische Aktbilder wollen und nicht Obszönitäten. Dazu gehört Einfall, nicht Nachahmung, schöpferische Kraft, nicht Epigonie, Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Falsche Romantik macht es nicht, auch dann nicht, wenn sie von Moser oder Schier vorgetragen wird. Da ewige Weinlied ist ausgedudelt, es hat uns in der Welt verächtlich genug gemacht. Der Haarbeutelwiener ist kein Repräsentant des Wienertunis mehr, dazu ist er glücklicherweise zu selten geworden. Aber der wiener Humpf, der Wiener Witz ist geblieben und nur das Wienerlied kennt ihn nicht mehr. Dem Radio erwächst zu seinen vielen Aufgaben die neue. Anregung zu sein, neuen Formen und künstlerischen Versuchen, soweit sie ernst zu nehmen sind, äuf allen Gebieten Betreuer und Verkünder zu sein, neue Kräfte dem neuen Geiste zuzuführen. Wir wollen gleich sagen, daß dieses durch die Sendereihe „Wir stellen vor“ bisher nicht geschehen ist. Es wurde uns nichts Überdurchschnittliches vorgestellt, dagegen manches, das einer Zumutung gleichkam.

Wenn auch ein derart weitgespanntes und vielfältiges Programm nicht in allen einzelnen Punkten restlos gelingen kann, das sichtliche Bemühen, die große Linie zu halten, anerkannt werden muß, soll dennoch über das Allgemeine hinaus die einzelne Leistung, an der Größe der Aufgabe gemessen, beurteilt werden, wahrend, weisend und vermitelnd.

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