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TagX: Der „Vorhang“ geht auf...
“ Wenn der Eiserne Vorhang einmal aufgehen wird, dann müssen wir bereit sein, um allen jenseits der Grenze, vor allem der Jugend, uneigennützig helfen zu können, frei zu werden und frei zu bleiben. Da muß unsere geistige Offensive einsetzenl Hierzu bedarf es umfassender Kenntnisse der Sprache, der Sitten und Gewohnheiten, des Denkens, der Mentalität, der Geographie, des kulturellen und geistigen Lebens der Menschen, die drüben zu Hause sind.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß die jungen Leute drüben nie etwas anderes gehört oder gesehen haben als den Kommunismus, als seine Spra-
che. Sie denken m anderen. Kategonen und können uns nicht verstehen, wenn wir sie mit Worten ansprechen, die für sie etwas ganz anderes bedeuten als für uns.
Wir müssen ihre Sprache und die Bedeutung der Worte lernen, mit denen die jungen Leute verhetzt worden
sind, damit wir ihnen den Unterschied' aufzeigen können; wir müssen ihre Sitten und Gewohnheiten kennen, um sie in ihrer Lebensgestaltung zu verstehen, ihre Mentalität, damit wir ihre Reaktionen nicht falsch auslegen, ihre Heimat, damit wir wissen, woran sie hängen.
Verständnis für den Osten
Das erste, was wir bei unserer Vorbereitung auf die Offensive brauchen, ist das Verständnis ohne Ressentiments, Vorurteile und Überwertigkeitskomplexe;
das zweite: die Bereitschaft, un-
eigennützig helfen zu wollen, wenn man uns braucht;
das dritte: uns so gut wie nur irgend möglich darauf vorzubereiten.
Kristallisationspunkte der Bereitstellung zur Offensive könnten bereits
vorhandene Institutionen sein, so zum Beispiel hält die Ostakademie in Wien Kurse für Russisch, Polnisch, Tschechisch und Serbo-Kroatisch, für osteuropäische Wirtschaftsgeographie und -geschichte ab; das Donauraum-Institut gibt Ostinformationen heraus und veranstaltet hochinteressante Vorträge; die Arbeitsgemeinschaft Ost hat die besten Informationsquellen bei unseren östlichen Nachbarn.
Die Lehrpläne unserer Mittelschulen sollten sich nicht darauf beschränken, an lebenden Sprachen nur westliche vorzusehen. Die Intelligenz unseres Volkes müßte neben einer lebenden westlichen Sprache wenigstens noch in einer östlichen ausgebildet werden. Die Neuerstellung der Lehrpläne anläßlich der Schulreform könnte genützt werden, hier eine Änderung zu schaffen.
Kein Nein zu Europa
Das Verständnis für den Osten und die Vorbereitung auf konkrete Aufgaben im Osten soll aber nicht dazu führen, daß wir nein zu Europa sagen! Wir wissen genau, daß wir zu Europa gehören, uns ihm wirtschaftlich und schrittweise auch politisch anschließen müssen, wenn wir nicht Einsiedler bleiben wollen. Wir bejahen Europa voll und ganz und damit auch seinen Kern, das Rumpfeuropa im Westen des Kontinents, das wir mitgestalten wollen. Die wirkliche Einigung Europas kann aber ohne den europäischen Osten nicht zustande kommen. Jeder Teil Europas hat seine besondere Aufgabe und wird sie auch nach einer großen Einigung noch haben. Österreichs besondere Aufgabe ist es, die unmittelbare Verbindung zu den Slawen und Magyaren herzustellen.
Mit dieser Aufgabe sind wir durch die Jahrhunderte unserer Geschichte gegangen. Diese Pflichten sind nie von uns genommen worden, wenn auch ihre Ausübung vorübergehend geruht haben mag. Der Zusammenschluß Europas verstärkt diese Pflicht und macht sie nicht geringer.
Was kann sofort geschehen?
Wir müssen Ostsprachen lernen! Die Sprache ist das Mittel, mit dem man das Volk, das sie spricht, verstehen, seine, Gebräuche, .'eine Mentalität, seine Heimat kennenlernen kann. ~~j.
Mit der Kenntnis der Sprache haben wir die Möglichkeit, uns Informationsquellen zugänglich zu machen, die uns sonst nicht offenstünden. Aber auch dann, wenn wir die Sprache noch nicht so gut beherrschen, um Zeitungen oder Bücher lesen zu können, müssen wir jede Gelegenheit nützen, um zu erfahren, was sich im Osten bei unseren Nachbarn tut, was Tagesgespräch ist, worüber man sich drüben freut, welche Probleme man hat, was die kulturellen Ereignisse sind usw.
Reisen in unsere östlichen Nachbarländer auf breiter Basis gäben allen
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