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Vertrauen

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Die zehn Tage des Präsidenten der Vereinigten Staaten in Europa in diesem Spätsommer 1959 haben weit über Europa hinaus der Weltöffentlichkeit einige erfreuliche Tatsachen gezeigt.

Der Jubel in Bonn, respektbetont und mit einer Art Ehrfurcht gemischt, die freimütige Art der Engländer und die leidenschaftliche Zuneigung der Pariser für den Mann, der die Befreiung Frankreichs mit der Landung der Alliierten einleitete, verschieden nuanciert, so wie nach wie vor die Völker Europas durch starke, unverkennbare Eigenart geprägt bleiben. Der gemeinsame Akzent, die gemeinsame Sprache der Westeuropäer, die Eisenhower begrüßten, läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Der „gemeine Mann“ in Westeuropa, das Volk, ist der Ueber- zeugung: dieser Mann da aus Amerika wird für utis alle sprechen, wird uns alle vertreten in dei- Begegnung mit dem roten Boß aus Moskau.

Der Wellenschlag dieses europäischen Selbstbewußtseins und Selbstvertrauens — ganz ohne Minderwertigkeitsgefühl haben sich diese Europäer ihren Freund aus Washington besehen - schlug in eben diesen Tagen recht weit nach Osten aus. Im Sejm in Warschau tagt bekanntlich „das Parlament der Palamentarier“. Abgeordnete aus fünfzig Staaten sprechen sich beim 48. Kongreß der Interparlamentarischen Union sehr offen über heiße Eisen der internationalen Politik aus. Bedeutsam für uns in Europa und auffallend für die außereuropäischen Beobachter sind dabei mehrfach die sehr freien Aeußerungen von Delegierten westeuropäischer Nationen, die sich nicht scheuen, die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Schief und falsch wäre es, diesen Mut im Lichte der Scheinwerfer zu sehen, die den Europabesuch Eisenhowers beleuchten. Beide Ereignisse, der Besuch des Präsidenten der USA in Europa und das Auftreten europäischer Parlamentarier in Warschau, wobei viele Worte weniger an die Adresse Polens als an die seines großen östlichen Nachbarn gerichtet sind, sind vielmehr Ausdruck einer Tatsache: In den letzten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ist in Europa mitten in vielen Auseinandersetzungen, Mißverständnissen und sachlich bedingten Gegensätzen ein ruhiges, natürliches Vertrauen zu Amerika gewachsen. Die Völker Europas, und gerade auch in Osteuropa — wie die Aufnahme Nixons in Warschau zeigte — vertrauen darauf, daß Amerika nicht mit der Bombe, nicht mit dem Krieg spielt, und daß seine Führung immer besser der riesigen Verantwortung für den Weltfrieden, der d i e Aufgabe der Zukunft ist, sich gewachsen zeigt.

Das ist viel. Denn es ist die Grundlage, der feste Grund, auf dem nach innen und außen hin der Westen sich selbst in seinen Differenzen finden und stärken muß. De Gaulle, Adenauer, Macmillan und die anderen Partner der NATO, werden nach wie vor ihre eigenen Standpunkte und Interessen vertreten, wobei gerade zum innereuropäischen Konzert die Zwischenspiele eigenwilliger Solisten und oft längere Pausen gehören. Der Besuch Eisenhowers in Westeuropa hat die Probleme nicht weggewischt und die großen Fragen und Nöte der Weltpolitik nicht gelöst. Von China über Laos und L dien, von Südafrika und Argentinien bis Berlin bleibt diese unsere politische Welt ein Kessel explosivster Möglichkeiten und Ueberrraschungen: eben ihnen ohne falsche Furcht ins Gesicht zu sehen, im Vertrauen auf die Kraft freier Zusammenarbeit mit großen und mit „kleinen“, besonders schwierigen und weniger schwierig scheinenden Partnern und Problemen — dieses Fundament hat der Besuch des Präsidenten der USA in Europa geschaffen. Besser, er hat gezeigt, daß die Völker Europas in manchem innerlich viel weiter sind als etliche ihrer hochbezahlten Politiker.

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