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Vor und nach der Sintflut

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Erlebt — Erlauscht. Von Ludwig Margi. Oester- reichischer Bundesverlag, Wien. 157 Seiten.

Was Margi im Laufe eines abwechslungsreichen Försterlebens auf freier Wildbahn „erlebt und erlauscht", davon erzählt er in dem vorliegenden kleinen Bändchen. Seine Liebe galt jedoch nicht den exotischen Tieren ferner, fremder Länder, sondern vielmehr all den Wildarten der Heimat, denen jedermann in Stunden der Erholung und auf Wanderungen begegnen kann. In schlichter, ungekünstelter Sprache und ohne falsche Vermenschlichung zeichnet Margi den Lebensweg und die Lebensgewohnheiten der Bisamratte, der Fischotter, des Murmeltiers, von Iltis, Wildschwein, Kaninchen und Hirsch, des Auerhahns, von Reiher, Eisvogel, Sperber und des schon recht selten gewordenen Seeadlers, Ob der reichen Anregungen zu aufmerksamer Naturbetrachtung sei dieses Büchlein jedem Tierfreund aufs wärmste empfohlen.

Mein Mann und das Atom. Von Laura Fermi. Eugen-Diederich-Verlag, Düsseldorf. 288 Seiten.

Der italienische Physiker Enrico Fermi erhielt am 10. November 1938 den Nobelpreis für die Identifizierung radioaktiver Elemente, erzeugt durch Beschießung mit Neutronen und die damit verbundene Entdeckung von Kernreaktionen, die durch langsame Neutronen ausgelöst werden. Mit dieser Entdeckung hat er das Tor zu einem neuen, dem Atomzeitalter aufgestoßen. Einige Jahre später gelang es upter seiner Führung einer Gruppe amerikanischer Wissenschaftler, eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion auszulösen und die kontrollierte Freimachung der Kernenergie einzuleiten. Ebenso war Fermi ganz entscheidend an der Konstruktion der ersten Atombombe mitbeteiligt. Das sind in wenigen Sätzen die Leistungen dieses bedeutenden Physikers, der im November 1954 in Chikago, fern seiner Heimat, in der Emigration unerwartet an Magenkrebs starb. Seine Ffau. Laura Fermi, erzählt in dem vorliegenden Buch das Alltagsleben dieses berühmten Mannes und verbindet dabei das Intime und Persönliche sehr glücklich mit dem Objektiven und Historischen. Durch die ungezwungene und anekdotenreiche Erzählweise ist der Verfasserin nicht nur eine unterhaltsame Biographie ihres Mannes gelungen, sondern sie vermittelte damit zugleich auch einen interessanten Einblick in ein wichtiges Gebiet moderner Forschung,

Atlantis. Die Welt vor der Sintflut. Von Otto H. Muck. Otto-Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau. 507 Seiten. Preis 23 sfrs.

Die Literatur über die „im Laufe eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht“ versunkene Insel Atlantis ist Legion. Nicht weniger als 25.000 Bücher beschäftigten sich nach Mucks Angaben mit dieser geheimnisvollen Insel, und der Verfasser nimmt für sich in Anspruch, in streng wissenschaftlicher Beweisführung das Rätsel Atlantis ein für allemal einer endgültigen Lösung zugeführt zu haben.

Zurückgreifend auf Platons Atlantis-Erzählung, dieser „zwar seltsamen, aber durchaus wahren Geschichte“, lokalisiert Muck Atlantis in der Gegend der Azoren als Sperrinsel, die den Golfstrom auffing und nach Westen ablenkte. „Infolgedessen herrschten beiderseits des Atlantiks annähernd dieselben Klimabedingungen: es bildeten sich während der Hocheiszeiten annähernd gleichmächtige, gelegentlich bis an den 50. Breitegrad reichende Eiskappen... Am 5. Juni — 8498 (Greg.) um 13 Uhr Erdzeit etwa, zur Zeit einer geozentrischen Sonnen- Mond-Venus-Konjunktion schlug ein zehn Kilometer großer Planetoid in den Atlantik südwestlich der Insel Atlantis ein. Er durchschlug die an dieser Stelle relativ dünne Bruchzone und entfesselte einen außerordentlich schweren Unterseevulkanausbruch. Reißlinien brachen im Nordatlantik auf etwa 4000 Kilo meter Länge auf. Das Zusammenwirken von Glut- fiußstoff und Meerwasser bewirkte eine Totalver- blasung ungeheurer Magmamengen und verdampften Meerwassers. Es entstand an der alten, durch die Eruptionen neu aktivierten Reißlinie eine Magmapegelsenkung, die im äußersten Norden — Jan Mayen — etwa 1000 Meter betrug, dann bis zum Katastrophenzentrum — Atlantis — auf 3000 bis 4000 Meter anstieg und gegen den Südatlantik allmählich abnahm;... Die kleine Inselscholle, von zwei Reißlinien voll umschlossen, lag im Zentrum der Absenkung. Sie machte diese isostatisch mit und verschwand daher unter die Meeresfläche. Der ganze Vorgang hat höchstens drei Tage gedauert; davon entfiel gerade ein Tag — der 7. Juni 8498 v. Chr. — auf das Absinken der Inselscholle. Sie ist zu einem untermeerischen Landmassiv geworden, dessen höchste Bergspitzen die Azoren bilden. Der Aufschlag des Planetoiden verursachte eine verstärkte Taumelbewegung der Erdachse und eine Polverlagerung um etwa 3500 Kilometer; seither sind Drehpol und magnetischer Pol (im Norden) nicht mehr ortsgleich. Das Erdenklima ist betont solarperiodisch geworden (S. 398 f).

Infolge dieses Unterseevulkanausbruches kam es zu ausgedehnten Schlamm- und Blutregen — der in der Bibel berichteten Sintflut —, die als mächtigen Bodensatz den Banklöß hinterließ. Die gleichzeitigen Giftgasausbrüche verursachten in vielen Ländern ein Massensterben der Tiere — so z. B. der Mammuts, die abgeschwemmt und dann in Eissärgen bis auf unsere Tage konserviert wurden. Lieber Nordwesteuropa bildete sich außerdem eine mächtige Feinstaub- und Nebelwolke, die durch Absorption der Sonneneinstrahlung die Abschmelzung der diluvialen Landgletscher verlangsamte und die Wirkung des durch die Golfstromankunft bedingten Klimaoptimums verzögerte.“

Soweit die von Muck als plausibel vörgetragene Arbeitshypothese. ' In ihrer Geschlossenheit hat sie gewiß etwas Bestechendes an sich. Und doch fordert sie zugleich auch den Widerspruch heraus. Da ist zunächst einmal eine gewisse aufdringliche Voreingenommenheit des Verfassers für Platons Atlantis- Erzählung, die allzu vorschnell und leichtfertig sachlich begründete Skepsis und Zurückhaltung, diese Atlantis-Erzählung als historischen Bericht anzunehmen, als vorgefaßte Abneigung dem Atlantis- Problem gegenüber verdächtigt. Dazu kommt ferner eine überaus großzügige Kombination kulturgeschichtlicher Tatsachen oder deren Verknüpfung und Ableitung von der Kultur der Atlanter, die sozusagen als Urväter aller späteren Kulturentwicklung angesehen und dargestellt werden. Als Beispiel dieser Kombinationsfreudigkeit sei nur auf die mehr als kühne Behauptung verwiesen, die den biblischen Bericht über den Aufstand der Engel unter Luzifers Führung (cf. Is. 44) mit dem Aufstand der Giganten und den Kämpfen zwischen Göttern und Titanen der griechischen Sagen verknüpft. Muck sieht daher ohne weiteres einen „Zusammenhang zwischen dieser ins Mythische übersteigerten Erzählung und dem nüchternen Rekonstruktionsbericht über den Einsturz des „Planetoiden A“ (S. 285). — Schließlich sei noch ein letzter Einwand gemacht: Muck erklärt das Ende der letzten Eiszeit durch das Vordringen des Golfstroms an die irische und skandinavische Küste. Wie aber erklärt er dann das Ende der drei früheren, der Günz-, Mindei-, Rißeiszeiten? Doch nicht so, daß die Sperrinsel Atlantis, die während der letzten Eiszeit den Golfstrom nach Westen, nach Mittelamerika ablenkte, mehrmals auf- und untergetaucht ist! Im übrigen kommt dem Leser an mehr als einer Stelle dieses 507 Seiten starken Buches unwillkürlich der Gedanke: Qui nimis probat, nihil probat,

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