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Vorgeahntes Schicksal

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Die Internationale Stefan-Zweig-Gesell- schaft, 1957 in Wien von Erich Fitzbauer gegründet, gibt als zweite Sonderpublikation „Fragment einer Novelle“ von Stefan Zweig heraus, illustriert mit vier Lithographien von Hans Frontus. Das Heft, in Mittel Bodoni- Antiqua, numeriert und vom Illustrator signiert, ist also ein bibliophiles Ereignis.

„Fragment“ wurde schon zu Lebzeiten Stefan Zweigs, 1929, als Beitrag zu einem Jahrbuch gedruckt, war aber seither verschollen, und es darf als ein glücklicher Gedanke betrachtet werden, daß dieses kostbare Stück Prosa jetzt wieder ans Licht kommt. Man spürt sofort die subtile und mächtige Hand, die hier am Werk ist, und obwohl sich die Erzählung nur über wenige Seiten erstreckt, versetzt sie den Leser unmittelbar in die charakteristische Problemlandschaft, die ihn nicht mehr losläßt und auch nach dem plötzlichen Abbruch weiter festhąjt: es gibt ja verschiedene Möglichkeiten der kompositioneilen Entwicklung.

Der anonyme Held, ein Großunternehmer, hat ein Mädchen, das er liebt, das er doch nicht vergessen kann, verlassen und Europa den Rücken zugekehrt. Er lebt von ihren Briefen, die sie ihm nach Übersee sendet, und sucht seine Sehnsucht nach ihr mit rastloser Arbeit zu betäuben. Da bricht der erste Weltkrieg aus, und damit hört jede Verbindung mit seinem Leben von früher und auch mit ihr auf. Im Zorn, daß solches geschehen konnte, schlägt er mit den Fäusten auf den Tisch. Es beginnt gleichwohl eine neue Epoche der Anpassung. Seine Unternehmungen vergrößern sich, er heiratet die Tochter eines deutschen, jetzt längst naturalisier ten Großkaufmannes von Veracruz. Mit folgendem Satz endet das Fragment: „Dann kam ein Kind, ein zweites folgte, lebende Blumen über dem längst zugeschütteten Grab seiner Liebe: nun war der Kreis wohltätig geschlossen: außen anpassende Tätigkeit, innen häusliches Ruhen, und von dem früheren Menschen, der er gewesen, wußte er nach vier oder fünf Jahren nichts mehr."

Enthält das 1929 publizierte Fragment nicht schon die Vorahnung der 13 Jahre später eingetretenen Situation des Autors in Brasilien? Auch hier das durch den Krieg veranlaßte, unwiderrufliche Zuschlägen aller Türen nach Europa. Auch hier die fremde Welt,, wo Anpassung, wenn sie sich auch über Jahre erstreckt, im Grunde nie gelingen kann, weil sich Schwermut und Verzweiflung des so eigenwillig angelegten und ungeduldigen Helden dagegenstellen. Und scheint nicht der lang aufgesparte, gewaltsame Ausweg bei solcher Konstellation die einzige Lö- MWvi ‘ ‘u Robert Braun

ABENTEUER EINER NEUEN HEIMAT,

Von Arno U 11 m a n n. 212 Seiten (ein schließlich Dokumentenanhang). Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf.

Der Autor, ehemals Mitarbeiter des „Berliner Tageblattes", nach Palästina 1935 eingewandert, gehört jener älteren Generation an, die, wie er sagt, „gegen anfängliche Abwehr durch Erlebnis und durch die liebe Not“ Israeli geworden ist. Diese „liebe Not", die bewältigt werden wollte, ließ für Diskussionen, was aus einem Juden einen Israeli mache, keine Zeit. Die im Lande geborene neue Generation sieht diese für die Älteren nicht unwichtige Problematik bereits anders: Aus der aus 30 Ländern in Palästina zusammengeströmten Bevölkerung,

die 70 Sprachen spricht, werden das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Arbeit und der Zeitablauf eine in allen Stücken homogene Nation machen. Die Rückkehr zur Erde und ihrer Bebauung mit das erste einigende Band —hat Ull- mann in allen ihren Verfahren miterlebt. Diese sind divergent genug, aber sie brachten die erstaunlichsten Erfolge. Mit höchstem Interesse liest man immer wieder alles über das Grundproblem der israelischen Wirtschaft, die Gewinnung von Wasser bis hinab zur Nutzbarmachung des morgendlichen Taues. Manches mag der sehr lebendigen Schilderung der religiösen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Umstände noch angefügt werden können, wie die Fragen: Wird eine unter geringerem psychologischem Antrieb stehende Generation das harte Leben des Landbebauers und Pioniers willig hinnehmen und von dem Zug in die modernen und komfortableren Großstädte abzuhalten sein? Die strenge Bestimmung, daß wer den Kibbuz verläßt, keinen Anspruch auf die Mitnahme von Ersparnissen oder von ihm miterarbeitete Besitzanteile hat, wurde nach neuen Berichten bereits gelockert. Wird sich angesichts der noch fortdauernden hohen Aufbaukosten die Zahlungsbilanz einspielen? Man darf aber wohl gewiß annehmen, daß in einer zu so nachdrücklicher Selbstbehauptung genötigten Nation die Zahl der opferbereiten Pioniere übur wiegen wird, bis die LebCntbedfn ohfcnf eflfea laügemfesendn Umdefautfldieh’ statten. Das aufschlußreiche Buch wird in der Literatur über Israel und seine Aufbauleistungen einen geachteten Platz ein- nehmen.

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