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Weltauftrag des Christen

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Wir schneiden mit dem Thema „Christ und irdische Wirklichkeit“ ein Problem an, das unser christliches Leben in ganz eminenter Weise berührt. Als Weltehristen umgilbt) uns die irdische Wirklichkeit auf Schritt und Tritt. Unser Leben vdllzieiht sich in einer weltlichen Atmosphäre und im Umgang mit der irdischen WirMichlkeit. Wo soll sich da das christliche Leben ereignen?

Soll es sich neben und über dem Umgang mit der irdischen Wirklichkeit vollziehen? Ist Umgang mit der Wirtschaft, der Verwaltung, der Marktforschung, der Wlrtschaiftswer-bung, . dem Außenhandel und der Preisbildung geistliches Leben oder rein weltliches Leben? Besteht Nachfolge Christi darin, daß man die irdische Wirklichkeit hinter sich läßt, ihr enitsagt und ein sogenanntes ^geistliches Leben“ abseits von der irdischen Wirklichkeit führt? Kulminiert das geistliche Leben beim priesteriichen Dienst? Vollendet es sich in der monastisehen Existenz?

In diesem Zusammenhang bedrängt uns auch die Präge, ob geistliches Leben ausschließlich an der Teilnahme am Kult, im Gebet, in der Medidation und im Leben aus den Sakramenten besteht? Sind wir Weltchristen, so könnte einer fragen, dazu verurteilt, uns mit einer Wirklichkeit abzugeben, die keine „.geistlichen“ Strukturen im Sinn der herkömmlichen Frömmigkeit aufweist? Ist es so, daß wir auf Grund einer falsch gewählten Existenzform nur am Bande ein geistliches Leben führen können?

Können wir der Auffassung zustimmen, daß das sakramentale Leiben das ganze christliche Leben ist? Ist das irdische Leben für die Erfüllung des Willens Gottes, für das Heil des Menschen und für die Gottesherrschaft belanglos? Hat man im Weltchrisiten, der sich in der irdischen Wirklichkeit engagierte, eine verpfuschte Existenz vor sich?

Wenn nun in der Kirche des Konzils auch im Weltbild neue Akzente gesetzt werden, so muß sich das auf das geistliche Leben der Christen auswirken. Für uns ergibt sich die Aufgabe, auf die Suche nach einer evangeliumsgemäßen Spiritualität zu gehen,. Wir müssen prüfen, ob es eine legitime Verbindung von christlicher und weltlicher Existenz gibt. Die Vereinbarkeit von Gottesherrschaft und weltlicher Sorge bedarf einer neuen Überlegung. Wir müssen Klarheit darüber erhallten, ob die Erfüllung des Willens Gottes mit dem irdischen Engagement, mit der Sorge um weltliche Dinge vereinbar ist.

Weg von weltfremder Selbstheiligung

Es ist noch nicht lange her, da beschäftigte man sich auf Tagungen, bei Einkehrtagen, Exerzitien und religiöse Aussprachen mit Themen wie „Der Ohrist und seine Seifostheiligung“, „Der Christ und das ewige Löben“, „Gott und die Seele“, „Die Gefahren des Christen in der Welt“, „Die Wellt als Versuchung des Christen.“ Die Vokabel „irdische Wirklichkeit“ wurde meistens im Sinne einer negativen Aussage gebraucht.

Uns allen klingen noch die Meßtexte in den Ohren, wo es heißt:

das Irdische verachten und das Himmlische lieben Die Generation der Jugendbewegung sang noch mit Begeisterung das Iied „Mir nach spricht Christus unser Held“, in dem es heißt: „Verlaßt die Welt, folgt meinem Ruf und Schalle.“ Das Wort „irdisch“ hatte den Beigeschmack des Vergänglichen, der Verfallenheit und des Preisgegebensetas.

Man stellte das irdische Leben abwertend dem ewigen Leben bei Gotl gegenüber. Alle nrrddsche Wirklichkeit, Materie, Kosmos, Leib, Geschlechtlichkeit und zeitliche Güter umgab von der christlichen Frömmigkeit her gewiasenrnaßen eir Glanz der Wehmut, der Fragwürdigkeit, der Vorläufigkei und der Untergangsstimmiung.

Wohl hatten nicht bloß in de: Väterzeit, sondern auch in unsere: Gegenwart die großen Theologer über das Verhältnis Evangelium unc irdische Wirklichkeit nachgedacht was aber vor 30 Jahren an das Oh: des Durchschndfttska'tfholiken drang war nicht) selten weltfeindlich< Theologie, Aszesei und Spiritualität Wer nach dem damaligen Verständnis „fromm“ sein wollte, dem wurdi nicht selten nahe gelegt, die „Nachfolge Christi“ von Thomas von Kern pen zu lesen. Ein junger Mensel konnte darin nur schwer Ansätze fü: eine Theologie der irdischen Wirk lichkeit finden. Damit soll keines wegs über die Gottesmystik, die ii der „Nachfolge Ohriisti“ zu finden is und die man auch heute lesen sollte

ein leichtfertiges Urteil gefällt werden

Wenn auch die Jugendbewegung sich mit aller Kraft bemühte, die jungen Menschen aus einer weltfremden Glaubenshaltung herauszuführen, konnten jedoch die spiri-tualistiscben Tendenzen in der Theologie, in der Seelenführung und in der Frömimigikeitserziehung nicht

zur Gänze überwunden werden. Es mußte daher 'bei vielen jungen Leuten zu einer Schizophrenie im Fröm-migkeitss/treben kommen. Die Folge war, eine ..Kämmerleinfrömniiigkeit“, ein weltfremder Seilbstheiligungs-trend. Das Evangelium wurde oft nur auf die überirdische Wirklichkeit hin interpretiert, desinkarnatorisch ausgelegt 'und auf das sogenannte Seelenheil hin befragt.

Seit dem 2. Vatikanischen Konzill hat sich diesbezüglich allerhand in der Kirche geändert. Den Weltchristen wird wieder gesagt, daß sie ihre Augen weit öffnen müssen für die Weltwirklichkeit und daß sie in das irdische Geschehen mitverantwortlich hineingestellt sind. Es kommt nicht mehr so sehr auf die private Kämm-erleinfrömmdigkeit an, sondern auf eine Frömmigkeit, die im Raum der Welt gelebt wird, und dort zur Auswirkung kommt.

In der Kirche muß wieder in der Predigt und im Pastoralgespräch um das Weltverständnis und das Welt-verhältnis der Weltchristen gerungen werden. In den letzten Jahrhunderten hat die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen die Welt Stück um Stück preisgegeben und sich dann auf die sogenannte „Ubernatur“ zurückgezogen-. Die irdische Wirklichkeit wurde mehr oder weniger abgeschrieben. Das war nicht im Sinn der Inkarnation. Eine Kirche, die die Welt 'abschreibt, schreibt sich selber ab. Nach der Bibetl ist die Kirche von ihrem Wesen und Ziel her auf die Welt bezogen und ohne sie schlechterdings Ohne Realität.

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