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Weltsprachenverwirrung

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WELTSPRACHE MUSIK. Von Josef Marx. Atutrla-Editlon. Österreichischer Bnndesveriar-In der Buchreihe der Osterreichischen Unesco-Kommission. Wien, 1364. 260 Seiten. Preis 198 S.

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WELTSPRACHE MUSIK. Von Josef Marx. Atutrla-Editlon. Österreichischer Bnndesveriar-In der Buchreihe der Osterreichischen Unesco-Kommission. Wien, 1364. 260 Seiten. Preis 198 S.

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Wer von dem im Vorjahr verstorbenen österreichischen Komponisten Josef Marx das erwartet hatte, was der Verlag ankündigt: „Ein Werk über Bedeutung und Deutung tausendjähriger Tonkunst“, ist enttäuscht worden. Zwar konnte man immerhin voraussehen, daß die tausend Jahre spätestens bei Richard Strauss enden würden. Das Namensverzeichnis bemüht sogar Stra-winsky dreimal wegen seiner Terzenskala, und erwähnt auch Pro-kofieff, weil ihn Tscherepoin unterrichtet hat. Alle anderen „beflissenen Neutöner“, (oder auch: „zukunftsfrohen, fortschrittsfreudigen Novatoren“) werden, ohne Namensnennung, pauschal bloß zu dem Zweck apostrophiert, um auf die Gefahr hinzuweisen, „sich manches einreden zu lassen, bis man es selbst zu erleben (verstehen) meint“, und gleich darauf aber jedesmal zu versichern, „der Autor möchte um alles in der Welt vermeiden, daß der Leser am Ende meint, die neue Musik in ihrer Tonartlosigkeit und bedenklich freien Verwendung des Mißklanges sei zu tadeln“.

Die Absicht des Verfassers, „das ästhetische Verhalten des Menschen beim Musizieren und Musikhören zu untersuchen“, wird in Ansätzen immer wieder zu verwirklichen versucht. Aber das Unternehmen scheitert nicht zuletzt an dem, gelinde gesagt, geschwätzigen Stil und an der eher willkürlich als planvoll vorgenommenen Einteilung. des-Werkes in Kapitel, deren Überschriften nur selten mit dem Inhalt übereinstimmen.

Zwar erfährt man wohl einiges über das, womit Marx sich in schöpferischen Pausen beschäftigt haben mag, was ihn als Musiker und Lehrer interessiert und was er auch studiert hat, aber man bekommt in diesem Buch keine wirklich wissenschaftliche Erhellung der aufgezeigten Probleme geboten. Anderswo sind diese Dinge besser und vor allem besser formuliert zu haben. Man hat dem Ansehen des bekannten Komponisten keinen guten Dienst erwiesen, indem man, anscheinend ohne Korrektur, die Schreibbogen vom Schreibtisch des Zweiundachtzigjährigen weg in die Druckerei trug. Es wimmelt von unrichtigen Sätzen, Sinnentstellungen und banalen, nicht selten falsch gebrauchten Wörtern, die sich sogleich wieder anbieten, sobald sie hingeschrieben sind.

Der falsche Gebrauch mancher Wörter macht es einem oft schwer, zu erraten, was gemeint ist: „Nicht die Theorie macht die Musik... sondern der Hörer!“ Das soll offenbar heißen, daß die menschliche Hörfähigkeit das Schaffen bestimmt, dem sie gewissermaßen Grenzen setzt. Aber wo sind diese Grenzen? Marx sagt es auf Seite 7: „Die Grenzen der Grundlagen des Hörens sind ohnedies ungeheuer weit gezogen, scheinen geradezu unendlich weit schon deshalb, weil der wahrhaft schöpferische Mensch sie zu erweitern vermag.“ Bestimmt also doch der Letztere die Grenzen? Nein! Denn auf Seite 94 endet das Kapitel „Etwas Psychologie“ wieder mit der Feststellung: „Ähnlich ist es in der Musik, die das Ergebnis der musikalischen Anlage, Bildung des Hörers wird“, und auf der nächsten Seite, wo Marx von den Grenzen und Freiheiten im Gebrauch dissonierender Bildungen spricht, heißt es:

..... und letzte Instanz bleibt das

Auffassungsvermögen des Hörers.“

Daß der musikalisch gebildete Hörer sein „Wissen, wie man Musik hört, aus der internationalen Beispielsammlung von Meisterwerken“, also aus jener „zweiten unwiderleglich vorl ic^snden Hauptquelle“ (die erste ist e'„an die Hörfähigkeit) schöpft, gibt Marx zwar zu, ist sich aber, wie es scheint, nicht bewußt, daß es diese Sammlung gar nicht geben würde, wenn tatsächlich der Hörer und nicht der Schöpfer letzte Instanz wäre „in Sachen Musik“.

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