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Erfreuliches erwünscht

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Fernsehen und Hörfunk folgen der Presse in einer Tradition so unerfreulich, daß es lohnt, ihre Notwendigkeit in Frage zu stellen: die Hervorhebung und Häufung unerquicklicher Geschehnisse, wie Krieg, Katastrophen, Unfälle, Gewalttaten und dergleichen. Ich vermute, daß die Gewohnheit der Gazetten, davon zu berichten, aus Zeiten stammt, die weitaus ruhiger als die unseren waren. Es wurde somit wahrscheinlich einem echten Bedürfnis entsprochen, die Menschen darauf zu verweisen, daß wir denn doch nicht in der besten aller Welten lebten. Dessen sind wir jedoch unterdessen mehr als gewahr geworden. Warum uns also immer wieder mit der Nase darauf stoßen, da wir nun viel dringender bedürften, zu erfahren, daß es auch erfreuliche Dinge und Geschehnisse gibt? Es sei daran erinnert, daß im vergangenen Weltkrieg Presse und

[tv]

Rundfunk weitaus weniger über Morde und Unfälle berichteten als heute. Unser Bedürfnis nach gewaltsamem Tod war damals zur Genüge gedeckt. Ein Irrtum, zu glauben, daß es nicht heute auch so ist. Mehr noch, wir sind heute durch die Häufigkeit dieser Meldungen bereits so abgestumpft, daß wir ihre Tragik kaum mehr realisieren. So &aß ich frage, ob sich die Nachrichtendienste nicht langsam darauf umstellen könnten, erfreulichen Meldungen den Vorrang zu geben. Erfolgsmeldungen aus Sport und Kunst gibt es ständig. Warum nicht auch aus anderen Lebensgebieten? Wie vielen Spitals-“ inimi'Snwird täglicK'Ms Leten' gerettet? Warum erfahren wir nicht, wenn ein Beamter in der Verwaltung eine gute Idee gehabt hat? Akte von Zivilcourage gegenüber Vorgesetzten, Behörden und der öffentlichen Meinung verdienen es, weithin genannt zu werden. Gangster und Passionsverbrecher können mit Sicherheit damit rechnen, in Presse und Rundfunk beschrieben zu werden. Wie wenig erfährt man jedoch über Leute, die anständig sind — was nicht immer so selbstverständlich ist.

Im österreichischen Rundfunk gibt es Ansager (sogar auch von Werbetexten), die durch eine betont barsche und aggressive Sprechweise vermutlich Autorität demonstrieren wollen. Nach meinem Geschmack mustern sie nur Rabaukentum und schlechten Umgangston.

In angenehmem Gegensatz dazu sind mir in letzter Zeit zwei sonst so verschiedene Sprecher wie der Linzer Kaplan Liß in seiner allwöchentlichen Sonntagssendung und der bundesdeutsche Komiker Werner Finck aufgefallen. Das sind Leute, die so etwas wie eingeborenen Respekt vor ihren Mitmenschen ausstrahlen — eine Emanation, die im österreichischen Rundfunk leider nicht gang und gäbe ist.

Warum werden zum Beispiel bei Interviews im Fernsehen zuerst die Namen der Reporter durch ein Insert bekanntgegeben und nur zögernd und viel später die Namen der interviewten Personen? Um sie dreht sich doch das Interview, was sie auszusagen haben, ist von Bedeutung. Der Reporter ist allzeit nur dazu da, ihnen das geeignete „Hölzl“ zu werfen. Ein guter Mann ist seines Lohnes wert, und zu diesem gehört für einen Reporter das Hinaustreten aus der Anonymität. In Grenzen und angebrachten Formen. Zudem: wenn sie etwas wert sind, wird es sich nicht verheimlichen lassen. Und wenn sie nichts wert sind, dann wird auch die noch so aufdringliche Nennung ihres Namens sie nicht vor Namenlosigkeit retten. Weit angebrachter scheint mir, daß die Autoren von Fernsehspielen in den Programmvorhersagen genannt werden. Es wurde letzthin öfters unterlassen. Der alttestamentarische Fluch „Nicht genannt soll er werden“ lastet auch ouf-(im1JfwS#|!Jf res Landes. Zumindest in den wm'ifv6meysaSm““4HreJn-sehens. Wir erfahren dort peinlich genau die Morgen- und Tagestemperaturen im Westen, Süden und Osten unseres Landes, niemals die im Norden. Was macht so ein unglücklicher Einwohner von Gmünd, Horn oder Retz ohne Wetter? Muß er zum Verräter an seiner regionalen Weltrichtung werden und sich nolens eolens zu den West- oder Ostösterreichern schlagen, um in den Besitz von Regen und Wind und Temperaturgraden zu gelangen?

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