6734688-1966_15_14.jpg
Digital In Arbeit

Von Robespierre zu de Gaulle

19451960198020002020

HISTOIRE DE FRANCE (1789 bis 1963). Von Adrien Robinet de Clėry. Max-Hueber- Veriag, München 1965. 226 Seiten, 9.80 DM.

19451960198020002020

HISTOIRE DE FRANCE (1789 bis 1963). Von Adrien Robinet de Clėry. Max-Hueber- Veriag, München 1965. 226 Seiten, 9.80 DM.

Werbung
Werbung
Werbung

Wohl kaum jemand anderer wäre besser qualifiziert gewesen, für den deutschen Leser eine Geschichte Frankreichs von der Französischen Revolution bis zur Fünften Republik zu schreiben, als der gebürtige Pariser Adrien Robinet de Clėry, der einerseits als Professor an der juristischen Fakultät und am Dolmetschinstitut der Universität Genf dem französischen Verfassungsrecht seine besondere Aufmerksamkeit schenkt und der anderseits, ganz abgesehen von langjährigen beruflichen Aufenthalten in Deutschland, in vielen Publikationen seine hervorragende Kenntnis des deutschen Geisteslebens unter Beweis gestellt hat. Gerade nach dem liebenswerten, aus der deutschen Frankreich-Literatur nicht mehr wegzudenkenden essayistischen Dar stellungen des leider allzu früh verstorbenen Friedrich Sieburg wurde eine Lücke offenbar, die Robinet de Clėry nun dadurch zu schließen sucht, daß er uns ein Buch vorlegt „qui se propose de rappeler les faits qui nous paraissent essentiels et de les placer dans un cadre appropriė“. Worauf es dem Verfasser ankommt, ist die Darstellung der historisch erfaßbaren objektiven Daten, die er nicht durch subjektive Deutungen getrübt wissen will. Wer sich durch dieses Buch in die französische Geschichte einführen läßt, wird Robinet de Clėry nicht nur für die klare Gliederung Dank wissen, sondern auch für die vielen ausführlichen Informationen, die ihm die Konsultierung von oft nur schwer zugänglichen Nachschlagewerken ersparen. Um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen: man findet darin sowohl den Text der berühmten Deklaration von 1789 als auch den vom Nationalkonvent auf Antrag von Fabre d’Eglantine beschlossenen Revolutionskalender; die um General Boulanger entstandene antidemokratische Strömung findet ebenso Berücksichtigung wie die Dreyfus-Affäre, die Frankreich für mehr als ein Jahrzehnt in zwei feindliche Lager gespalten hat. Robinet de Clėry unterzog sich auch der Mühe, seine Ausführungen durch die Wiedergabe der wichtigsten Wahlresultate zu ergänzen. Daß die Fahrt durch die französische Geschichte zu einem Genuß wird, beruht nicht zuletzt darauf, daß es der Verfasser (der sich übrigens auch als Rilke- Fachmann einen Namen gemacht hat) ausgezeichnet versteht, den „Geist der Zeit“ durch die Zitierung von bedeutenden Schriftstellern lebendig zu machen. Liegt der Schwerpunkt der Arbeit naturgemäß auf der Darstellung der Innen- und Außenpolitik, so verzichtet deshalb der Verfasser doch nicht ganz auf die Ideengeschichte, die — jeweils für einen größeren Zeitabschnitt — in gedrängter Form zu Worte kommt. Es scheint uns ein besonderer Vorzug des Buches zu sein, daß Robinet de Clėry vor dem „heißen Eisen“ der Zeitgeschichte keineswegs zurückschreckt — im Gegenteil: gut ein Drittel des Buches ist den Ereignissen des zweiten Weltkrieges und der Folgezeit gewidmet. Gerade hier weiß man die strikte Objektivität des Verfassers zu schätzen. So wird kaum jemand enttäuscht sein, daß uns der Historiker Robinet de Clėry in seinen „Schlußbetrachtungen“ keine politische Prophetie mit auf den Weg gibt. Aber auch die Feststellungen, zu denen der Soziologe Robinet de Clėry sich veranlaßt sieht, sind weit entfernt von jeder apodiktischen Formulierung; sie münden vielmehr in Fragen aus, deren Beantwortung der Zukunft überlassen wird.

Wir möchten dem Buch des Genfer Gelehrten, das durch eine instruktive Zeittafel und eine genealogische Übersicht des Hauses Bourbon und der Familie Bonaparte ergänzt wird, sehr bald eine deutsche Übersetzung wünschen, damit es in noch weiteren Kreisen die ihm zugedachte Aufgabe erfüllen kann: das Gespräch mit einem Land zu erleichtern, über das es zwar viele Urteile und Vorurteile, aber immer noch zu wenig fundiertes Wissen gibt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung