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4000 in Syrien…
Es geht nicht wie in Pakistan um Millionen Menschen; es geht um läppische 4000 Juden, deren Lage jedoch höchste Bedrängnis erreicht hat. Syrien ist einmal ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit und jüdischen Handwerkerfleißes gewesen. Jüdische W affenschmiede haben die Damaszenerklinge, jüdische Weber den Damaststoff zu einem eigenen Begriff gemacht. Um 1939 hat es noch
30.000 Juden in Damaskus, Aleppo und anderen Orten Syriens gegeben. Heute möchte keiner mehr dort leben, wenn man ihn das Land verlassen ließe. Sie dürfen sich nicht weiter als drei Meilen außerhalb ihres Wohnviertels bewegen. In ihren Personalausweisen steht mit roter Tinte das Wort „Jude“. In den einzigen zwei verbliebenen jüdischen Schulen muß der Religionsunterricht unter Aufsicht mohammedanischer Kontrollore stattfinden. Hochschul besuch wird Juden nur in außerordentlichen Fällen gestattet. Außer Ärzten und Apothekern ist jüdischen Akademikern jede Berufsausübung verboten. Juden dürfen eigene Immobilien weder verkaufen noch einen solchen Kauf vermitteln. Staatsangestellten und Militärs ist es verboten, bei Juden einzukaufen. Stirbt ein Jude, wird sein Anwesen enteignet, seine Familie muß für Weiterbenützung dem Staat Miete bezahlen. Juden dürfen nicht in öffentlichen Diensten angestellt werden, auch nicht in Banken. Sie erhalten weder Telephonanschlüsse noch Führerscheine. Über den jüdischen Friedhof von Damaskus verläuft eine Autostraße; es wird kein Boden für weitere Grabstätten vergeben, so daß die Toten in den vorhandenen alten Gräbern übereinander bestattet werden müssen.
In den letzten Wochen haben die
Verfolgungen und Schikanen ein extremes Ausmaß erreicht. Zwölf Juden von Damaskus wurden unter dem Verdacht, das Land illegal verlassen zu wollen, mitsamt ihren Frauen und Kindern inhaftiert, permanent verhört und gefoltert. Ebenso wurden ihre entferntesten Familienangehörigen verhaftet und gleichfalls Torturen ausgesetzt.
Während man in früheren Jahren den Juden die Ausreise gestattete, werden sie jetzt als Geiseln gegen Israel benützt. Man stellt sie unter die Aufsicht palästinensischer Flüchtlinge, welche bei Tag und Nacht Hausdurchsuchungen bei ihnen vornehmen, ihre Frauen und Töchter schänden. Innerhalb weniger Wochen wurden mehrere Wohnhäuser im Judenviertel von Damaskus niedergebrannt.
Die tragische Lage der syrischen Juden hat bereits auf der ganzen Welt Unmut und Protest erweckt. Sämtliche Parteien — mit Ausnahme der Kommunisten — haben im holländischen Parlament eine Anfrage an die Regierung mit der Aufforderung um Hilfe für die syrischen Juden gerichtet. In zahlreichen Län dern Europas und Amerikas wurden Komitees gebildet, welche Aufrufe an die syrische Regierung und deren diplomatische Vertretungen richten, die Verfolgung der Juden einzustellen und ihnen das elementare Recht zum Verlassen des Landes zuzugestehen. Auch in Österreich wurde ein Komitee gebildet, dem u. a. die Hochschulprofessoren Dantine, Heer, Rosenmayr, Siedl, die Künstler Ernst Fuchs, Erich Brauer, Erich Lessing, der Komponist v. Einem und der Präsident des Nationalrates Otto Probst angehören.
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