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Digital In Arbeit

Außenseiter der Gesellschaft?

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Die Verschlechterung der Wirtschaftslage ist in manchen Bereichen schon sehr spürbar geworden, in wohl keinem aber so arg wie bei den Strafentlassenen. Wer Gelegenheit hat, sich um die Vermittlung von Arbeitsplätzen für Strafentlassene zu bemühen, weiß, daß in einer Zeit, in der Arbeitsplätze für „normale“ Arbeitnehmer immer schwerer zu erlangen sind, bei Strafentlassenen doppelt und dreifach so schwer geworden ist.

Dennoch zeigt sich immer wieder, daß sich Unternehmer und Unternehmensleitungen bercitfinden, hier über den Schatten zu springen, manchmal auch gegen den Willen der Belegschaft oder auch des Betriebsrates, die Einstellung von Strafentlassenen vorzunehmen.

Im allgemeinen stehen aber viel zu wenig Möglichkeiten offen. Dies hat zum Teil unfaßbar tragische Auswirkungen. Strafentlassene, die sich ernstlich vorgenommen haben, mit einem neuen Leben zu beginnen, sehen sich vor nahezu unlösbaren Schwierigkeiten.

Sie geraten immer wieder in den Kreis der alten „Freunde“,

die ihnen Gelegenheitsarbeiten vermitteln, da und dort auch eine wenigstens provisorische Unterkunft. Die offizielle Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsämter löst nur einen Teil der Probleme; im staatlichen Bereich verlangt man überall ein Leumundszeugnis!

Beachtlich ist, was einzelne Personen an Engagement aufbringen, um das Versagen von Staat und Gesellschaft auszugleichen. Hier sind es vor allem immer wieder Persönlichkeiten aus verschiedenen katholischen Organisationen, allen voran aber zweifellos jene Männer und Frauen, die die Cursillos auch in die Gefängnisse gebracht haben.

Es ist richtig, daß es auch hier Rückfälle gibt, daß das Mitmachen an einem Cursillo noch keine Garantie für die spätere reibungslose Integration in die Gesellschaft darstellt.

Die Erfolge sind aber eindrucksvoll. Auch wenn keine offizielle Statistik vorliegt, kann aus vielen Beispielen nachgewiesen werden, daß die Cursillos in den Gefängnissen nicht nur religiöse Erneuerung bedeuten, sondern auch die Chance für ein sinnvolles Leben nach der Strafentlassung entscheidend erhöhen.

Wie stark das Interesse an solchen „kleinen Kursen“ in den Gefängnissen ist, zeigt die Tatsache, daß das Verlangen nach Abhalten von Cursillos nahezu aus allen Gefängnissen kommt. Trotz des starken Engagements einer sehr aktiven Gruppe solcher „Cursillistas“ reichen die vorhandenen Kräfte nicht aus.

Die Auseinandersetzung und die Reform des Strafvollzugs wird in Österreich im allgemeinen sehr oberflächlich geführt. Mehr als bisher sollten Persönlichkeiten zu Wort kommen, die einerseits die Wirklichkeit der Gefängniswelt kennen, andererseits aber auch echt bemüht sind, in einem von der Mehrheit der Bevölkerung nur negativ bewerteten Bereich der Gesellschaft mehr Menschlichkeit zur Durchsetzung zu bringen.

Österreich hat eine verhältnismäßig hohe Verbrechensquote; erschreckend hoch aber ist die Rückfallsquote. Dies ist nicht nur, aber in einem sehr entscheidenden Umfang auch auf das Versagen staatlicher und gesellschaftlicher Instanzen zurückzuführen, auf die unfaßbareGleichgültigkeit verantwortlicher Kräfte im politischen System, bei den Parteien, zum Teil auch in der Wirtschaft und in den Verbänden gegenüber den Strafentlassenen.

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