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Niemand muß befürchten, daß er sich einen Schnupfen zuzieht, oder gar die asiatische Grippe, wenn er in den frischen Wind gerät, den mein Freund gelegentlich um sich her macht: mein Freund, mit der zunehmend flüssiger werdenden Rhetorik zwischen Wiener Vorstandcharme

und Soziologenchinesisch., dem kek-ken, dreigespitzten Anstecktuch — Markenzeichen beinahe schon von der Popularität des ORF-Loches —, mein Freund mit dem lustigen Profil und dem Sinn für Humor: der „Mediencharly“.

Seit einiger Zeit kann man ihn auch „Reformcharly“ nennen: Dies xoahrscheinlich mit mehr Berechtigung, weil sein Verhältnis zur Parteireform ein fruchtbareres zu sein scheint, als sein Verhältnis zu den Medien. Da hat er also — in Zusammenarbeit mit tausenden Experten — eine Reform erarbeitet, die voll des Heiligen Geistes der Demokratie ist und nur noch auf den Sanktus des sozialistischen Parteikonzils im Konzerthaus wartet.

Neue Schläuche hat der Charly genug in seiner Sakristei in der Löwel-straße aufgestapelt: Nun bedarf es des neuen Weines, der in diese Schläuche gefüllt werden soll. Aber da kündigen sich schon Schwierigkeiten an: Fast unbemerkt wurden in die neuen Schläuche etliche Löchlein gestochen: kleinere und größere, durch die der Wein wieder ausfließen muß, wenn das Konzil nicht alle Hände auf die undichten Stellen legt, wobei es viel zu tun haben dürfte.

Und dabei hat es der Charly wirklich bestens gemeint. Das mit der Ämterkumulierung zum Beispiel: Zwei bezahlte Ämter sollen hinkünftig genug sein. Aber das ist einigen Erz- und Oberkumulierern und ihren auf das Parteikonzil losgelassenen Konzilsvätern und Konzilsmüttern (sprich: Delegierten) denn doch zu wenig. Ein einziges bezahltes Amt müßte eigentlich ausreichen, weil die Beanspruchungen der Politiker — zumindest nach ihren eigenen Vorgaben — nicht gering sind: dementsprechend auch ihre Bezüge. Wozu also zwei oder noch mehr bezahlte Amter, von Ehrenämtern ganz zu schweigen, die ihre Träger ja auch an der Macht und allem, was sie einbringt, partizipieren lassen? — In diesen Reformschlauch wurden bereits die meisten Löcher gestochen.

Und dann das mit der Möglichkeit, sich selbst für ein Mandat aufzustellen: Das ist wahrhaft eine köstliche, eine geradezu kostbare Idee! Wo könnte es solches geben, denn in der Sozialdemokratie, die jedem die gleichen Chancen im Leben (warum also nicht auch in der Politik?) zu verschaffen verheißt? Indes: da werden sich die Erbpächter der Mandate, die Berufsvolksvertreter von Roten Falken Kindesbeinen an, gehörig in die Quere legen: es könnte ihnen — wenn sich allzuviele Verantwortungslustige selbst aufstellen — am Ende widerfahren, daß sie dadurch nicht nur ihr letztes, gerade noch geduldetes bezahltes Amt, sondern auch ihre unersättlich kumulierten Ehrenämter fahren lassen müßten. — Wieviele Löcher dieser Schlauch schon aufweist, ist noch nicht erkenntlich.

Und schließlich die offene, die freie Diskussion in der offenen und freien Partei: Weil es im Leben immer einen recht fatalen Widerspruch zwischen Idee und Verwirklichung gibt, gibt es diese offene und freie Diskussion — wiewohl theoretisch verbrieft — in den demokratischen Parteien noch viel zu wenig. Im Konzerthaus wird sich weisen, was dieser Schlauch der SPÖ-Partei-reform zu halten vermag.

Hoffentlich fließt viel neuer Wein in des Charlys neue Schläuche, und hoffentlich wird sich der Charly mit seinen Frischwindmachern auch kräftig durchsetzen. Wenn er seine Ziele erreicht, wäre dies eine Frohbotschaft für alle Demokraten, innerhalb und außerhalb der sozialdemokratischen Gesinnungsgemeinde. Mit einem herzhaften Wort: hoffentlich hat der „Reformcharly“ mehr Glück als der „Mediencharly“.

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