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Bischöfe gegen Zensur

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„Ohne Freiheit verkümmert der Mensch und jeder Fortschritt stirbt“, heißt es in einem Hirtenschreiben, das die polnischen Bischöfe zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel -er wurde in Polen erst am 17. September begangen - von den Kanzeln aller Kirchen verlesen ließen. Das Dokument, das von Kardinal Stefan Wyszynski unterzeichnet ist, wendet sich scharf gegen die staatliche Zensur und fordert den freien Zugang der Kirche zu allen Massenmedien. Nach einem Hinweis auf den im Frühjahr veröffentlichten Brief Papst Pauls VI. zum Mediensonntag am 7. Mai heißt es:

„Obwohl die Kirche seit den Anfängen dieses Staates die nationale Kultur mitgestaltet hat, wurden ihr leider heute in Polen nicht nur die Rechte genommen, soziale Kommunikationsmittel zu besitzen, besonders Radio, Fernsehen und Tagespresse, sondern sie kann sogar nicht einmal davon aktiv Gebrauch machen. Alle diese Mittel werden durch den Staat beherrscht, und sie wurden in den Dienst der Ideologie gestellt, deren Ziel die Erziehung des Menschen ohne Gott ist.

Irgendwie liegt ein Drama in der erfinderischen Aktivität des Menschen. Alles, was er schafft, damit es dem Wohl, der Entwicklung und der Brüderlichkeit unter den Menschen dient, wurde sehr oft zum Schaden der Menschen mißbraucht.

Die Massenmedien sollen in Übereinstimmung mit unseren Erwartungen der Annäherung der Menschen dienen - durch den Austausch kultureller Güter, geistiger und religiöser Werte, durch die Information über die Probleme und Lebensbedingungen der Menschen und der ganzen menschlichen Gesellschaft. ..

Sie sollen die Brüderlichkeit unter den Menschen wecken und sie sollen zeigen, was schön, was edel und was erstrebenswert ist. Das ist jedoch heute nicht so. Die sozialen Kommunikationsmittel werden benutzt, um einseitige Meinungen und Verhaltensweisen aufzuzwingen und Macht über die Menschen auszuüben.

Die Menschen, die heute Presse, Radio, Fernsehen, Kino und Theater beherrschen, verfolgen nur eigene Ziele, indem sie diese Mittel fest in den Händen halten. Sie füttern uns mit ihren eigenen Ansichten. Als Bürger in un-

serem eigenen Vaterland besitzen wir Rechte, auf die Wir nicht verzichten können.

• Wir haben das Recht, eine schnelle, ehrliche und objektive Information zu erwarten, die die Werthierarchie achtet...

• Wir haben das Recht und sogar die Pflicht, Kritik und Wertung bezüglich der Inhalte zu äußern, die uns durch Radio, Fernsehen, Presse, Theater und Kino vermittelt werden.

• Wir haben das Recht zu erwarten, daß die Kritik gehört und bei der Programmgestaltung beachtet wird. Wird unsere Meinung als Empfänger übergangen, so ist das ein Ausdruck dafür, daß wir als Gegenstand willkürlicher Manipulation durch jene betrachtet werden, die die Macht über die Bürger übernommen haben, die keine Möglichkeit besitzen, ihren Standpunkt öffentlich zu vertreten.

• Schließlich besitzen wir auch das Recht, daß unsere Meinungen, unsere nationale und christliche Kultur, unsere Sitten und deren Werte, die im

Verlauf Von tausend Jahren den Ruhm

unserer Nation ausmachten, beachtet und ernstgenommen werden. Wir müssen unseren Schmerz darüber ausdrücken, daß Personen verfolgt wurden, die den Mut besaßen, mündlich und schriftlich ihre Standpunkte und Meinungen in den Fragen des öffentlichen Lebens und bezüglich der Inhalte zu äußern, die durch die sozialen Kommunikationsmittel vermittelt werden.

Die polnischen Bischöfe weisen dann wieder auf das päpstliche Rundschreiben, das von den Empfängern eine aktive Haltung fordere. Sie müßten die Sprache der Medien verstehen, eine rechte Auswahl treffen und zur Bewertung fähig sein. Die Eltern hätten die

Pflicht, ihre Kinder auf den Gebrauch der Medien hinzuführen. Dann heißt es weiter:

Wir alle wissen, daß die eigentliche Atmosphäre für eine' volle Entwicklung des Menschen der Geist der Freiheit ist. Ohne Freiheit verkümmert der Mensch und jeder Fortschritt stirbt. Es ist ungerecht, daß der Staat Menschen anderer gesellschaftlicher und politischer Anschauung die Meinungsäußerung verweigert. Die staatliche Zensur war und ist immer die Waffe totalitärer Systeme. Mit Hilfe der Zensur will man nicht nur das geistige Leben der Gesellschaft und die öffentliche Meinung lenken, sondern auch das kulturelle und religiöse Leben der ganzen Nation paralysieren.

Das gesellschaftliche Leben verlangt Offenheit und Freiheit der öffentlichen Meinung, Die Zensur setzt den Menschen eine Brille auf.. . desinformiert sie und nimmt ihnen die Verantwortung für die Nation. Sehr oft kennen die Menschen die Wahrheit nicht, sie wissen nicht, wie die Dinge hegen und auf Grund dessen fühlen sie sich nicht verantwortlich für die Situation im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und moralischen Leben.

Die Eingrenzung und Aufhebung der Einmischung der Zensur ist ein Gebot der Stunde. Das wird heute von allen Menschen gefordert, die das Wohl der Nation wollen, unabhängig von ihrer weltanschaulichen oder gesellschaftspolitischen Orientierung. Bei dieser Einmütigkeit ist es den Behörden nicht erlaubt, sich darüber hinwegzusetzen, wenn es ihnen wirklich um das Wohl der Nation geht.

Die polnische Nation, die seit tausend Jahren in einer christlichen Kultur lebt und wächst, braucht religiöse Literatur ... Wir brauchen Katechismen und religiöse Bücher für Kinder und Jugendliche ... Wir spüren einen riesigen Mangel an katholischen Zeitschriften ... Die Gesamtauflage der drei katholischen Wochenzeitungen ... beträgt kaum 190.000 Exemplare, während der Bedarf... bei vielen Millionen hegt. Es ist ja wohl kaum normal, wenn Katholiken nicht die Möglichkeit haben, die katholische Presse und religiöse Bücher zu erwerben. Die katholische Gesellschaft verlangt nach wenigstens einer unabhängigen katholischen Tageszeitung.

Die gerechte Behandlung der gläubigen Menschen verlangt danach, daß der Kirche die Möglichkeit gegeben wird, an Sonn- und Feiertagen durch Radio und Fernsehen die heilige Messe mit Predigt zu senden. Der Episkopat hat sich schon verschiedentlich an die Behörden gewandt, die Möglichkeit einzuräumen, durch das Radio religiöse Programme für Kranke und behinderte Menschen zu senden. Wir haben das Recht zu erwarten, daß die Stimme von Millionen Gläubigen unseres Vaterlandes nicht unbeantwortet bleibt.

Wenn wir diese Notwendigkeit befrachten und sogar die Pflicht, unsere Informationen aus anderen Quellen zu ergänzen, empfehlen wir euch, die Sendungen von Radio Vatikan zu hören ...

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