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Das Experiment „Metropol“
Die einen malen Schwarzbilder an die Wand des Gebäudes Demokratie, die anderen nennen Untersuchungsergebnisse, die von politischem Desinteresse der Jugend Zeugnis geben sollen. Dritte wiederum versuchen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: Die Neu- und Wiedereröffnung eines Etablissements in der Wiener Vorstadt soll junge Menschen ermutigen, ihr Leben - auch ihr politisches - wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Rund 4,5 Millionen Schilling warder Wiener ÖVP die Sympathie- und Imagewerbung wert, in Wien-Hernals, Hernalser Hauptstraße 55, das „Metropol“ neu zu adaptieren: Ein altes Vergnügungs-, Unterhaltungs-, Anre- gungs- und Kommunikationszentrum, von dem die Wiener Jugendlichen schon in den ersten Tagen des Betriebes ab Mitte Jänner voll und ganz Besitz ergriffen haben.
Das war auch der Hintergedanke der Initiatoren um Vizebürgermeister Erhard Busek, selbst wenn es kaum glaubhaft klingt: „Die Wiener ÖVP will weder Konzertmanager noch Cafetier sein, aber sie will den Menschen, die gute Ideen haben, helfen ...**
Oder, um es mit einem Wort des bekannten österreichischen Politologen Karl Deutsch zu sagen: „Politik kann nicht den Menschen glücklich machen, sie sollte sich darauf beschränken, Unglück zu reduzieren.“
Genau in diese Bemühungen paßt die Reaktivierung des „Metropols“ in einem ausgesprochenen Schulbezirk der Bundeshauptstadt, der kein Kino, kein Haus der Begegnung, kein Theater, kein Kommunikationszentrum hat: Es gilt, den Menschen Freiräume zu schaffen, wo sie aktiv, kreativ und initiativ sein können, besonders die jungen; wo sie nicht verwaltet und in Bürokratieschemata gezwängt sind.
„Ich kann einer Jugend nur dann Politik glaubhaft verkaufen“, meint Bu
sek, „wenn ich konsequent das vertrete und durchhalte, was ich sage.“
Darum geht es in einer Situation, die von Skepsis, von großer Skepsis junger Menschen gegenüber allem, was von Politikern gesagt, geredet, versprochen wird, gekennzeichnet ist:
Die Jugend des Jahres 1981, so der Hintergrund, ist keineswegs unpolitisch; Sachthemen, die ihr konkretes Anliegen sind, wo persönliches Engagement eine Veränderung bewirken känn, beweisen das: die „grüne“ Bewegung, Initiativen Für mehr persönlichen, lebenswerten Raum, Nachbarschafts- und Selbsthilfe sowie die Anti- Zwentendorf-Stimmung.
Die Jugend des Jahres 1981 ist aber politikscheu, sie wendet sich von der derzeit gehandhabten Form des unüberschaubaren Großparteiensystems
ab, von Politikern, die Selbständigkeit propagieren, aber doch immer wieder bevormunden.
Die Jugend des Jahres 1981, so die Schlußfolgerung, müsse mittels neuer Wege wieder zur Teilnahme am gesellschaftspolitischen Leben, an einer öffentlich mitgetragenen Demokratie bewegt werden; über organisierte Jugendbewegungen werde sie nicht zu politisieren sein in dem Sinn, daß eine Demokratieauflösung (von der etwa in Berlin oder Zürich nach den jüngsten Krawallen schon die Rede ist) eine Für Österreich denkunmögliche Variante bleibt.
Es gilt Für die Initiatoren, das durchaus vorhandene politische Denken junger Erwachsener in jene Bereiche des Staates hinüberzuFühren, zu integrieren, die sein Funktionieren erst ermöglichen.
Deshalb soll das „Metropol“ auch mehr sein als bloß eine Lokalität, wo es von Popkonzerten über Tanz und Gulaschsuppe bis hin zur Möglichkeit, einzelne Räume Für den Eigenbedarf oder Diskussionsveranstaltungen etc. zu mieten, all das gibt, was unter den weiten Begriff der „Freizeitgestaltung“ Fällt.
Es soll vielmehr Ausdruck der Erkenntnis sein, daß es der Aktionen bedarf, um Jugendliche selbst zu aktivieren; daß es der Kommunikationsplätze bedarf, um Kommunikation inmitten einer steril und isoliert gewordenen Umwelt zu ermöglichen und in Schwung zu halten; daß es des Mutes bedarf, ohne parteipolitischer Zwangsbeglückung Angebote zu machen, um das politische Bewußtsein in den Köpfen der Jugendlichen zu stärken, oder es überhaupt erst dort zu wecken.
Politisierung sollte demnach in diesem Zusammenhang auch weiter gefaßt werden: als Ausdruck einer (Mit-Menschlichkeit im weitesten Sinn, die die Erfahrung des Zusammenlebens, des Zusammengehörens, des Aüfeinander-Angewiesen-Seinsmitein- bezieht und deutlich macht.
Diese Aufgabe umschreibt der Leiter des altehrwürdigen, neueröffneten, von verschiedensten Baustilen geprägten „Metropols“, Alf Krauliz, so: „Wir wollen kein Kulturgetto der Freudlosigkeit, sondern ein Tummelplatz Für Menschen sein, die miteinander reden, arbeiten und auch lachen wollen. Das .Metropol* ist eine Chance zum Mitmachen und zum Kennenlernen, zur Konfrontation mit Neuem und zur Toleranz gegenüber anderen.“
Das „Metropol“ ist also als Ausgangspunkt und Angebot an die Bevölkerung gedacht, einander und sich selbst wieder ernster zu nehmen, selbstbewußter zu werden und die Macht der eigenen Stärke, des eigenen Könnens und Wollens neu zu entdecken.
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